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Erzähl mir von morgen

Erzähl mir von morgen

Titel: Erzähl mir von morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Seidenberg
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noch sehr viel. Natürlich war er in den letzten Jahren auch älter geworden. Er war – ich rechnete kurz nach – jetzt Anfang dreißig, aber allein durch dieses eine Lächeln, das nur mir galt schien es mir, als wäre die Zeit zurückgedreht worden. Er wirkte wieder wie der Junge, in den ich mich damals verliebt hatte. Schon als Sam mich das erste Mal zu den Mc’Cormicks mitgenommen hatte, war mir sein Lächeln und vor allem sein Grübchen aufgefallen. Damals war ich gerade 13 Jahre alt und hatte mich bisher noch nicht für Jungs interessiert.
     
    Wie von selbst glitt meine Erinnerung zurück zu jenem Tag, an dem ich Nate kennen gelernt hatte. Selbst jetzt wusste ich, dass es ein Donnerstag gewesen war. Charlotte hatte Sam zum Essen eingeladen und da ich nicht allein zu Hause bleiben sollte, brachte er mich mit. Überwältigt von dem riesigen Haus, in dem der neue Freund von Sam lebte, stand ich schüchtern und unsicher in der großen Eingangshalle und sah mich den unbekannten Menschen gegenüber.
    Doch Charlotte nahm meine Hand und brachte mich in die große Küche, in der sie Kuchen gebacken hatte. Sie gab mir ein – wie mir schien – riesiges Stück Blaubeer-Pie. Gemeinsam gingen wir in den Garten und brachten den Jungs je ein Stück des süßen Gebäcks. Zu dritt saßen wir unter dem alten Kastanienbaum und ließen uns den Kuchen schmecken. Nate, damals 18 Jahre alt, interessierte sich trotz meines jungen Alters, für mich und alberte mit mir herum, indem er mir seine Blaubeer-blaue Zunge herausstreckte. Dann lächelte er mich an, als ich ihm nacheiferte.
    In den folgenden Monaten war nicht nur Sam, sondern auch ich Teil der Familie geworden, denn ich hatte erkannt, dass es bei den Mc’Cormicks keinen Grund gab, ängstlich zu sein. Noch heute spürte ich das tiefe Gefühl der Freundlichkeit und Liebe, die mir in diesem Haus entgegengebracht wurden. Niemals gab es ein lautes Wort und wenn die Familie miteinander sprach, konnte man die Vertrautheit sehen. Es machte mich unsagbar glücklich, dass ich zu diesem Kreis gehören durfte.
     
    Doch mit meiner beschämenden Aktion am Ferienhaus seiner Eltern, hatte ich alles zerstört.
    Ich hatte stundenlang , tagelang und wochenlang darüber nachgedacht, was passiert wäre, was aus uns geschehen wäre, hätte dieser Julitag niemals stattgefunden. Ich wollte die Zeit einfach nur zurückdrehen, doch die Worte die gesprochen worden waren und die Gefühle, die getauscht worden waren, konnte niemand wieder zurücknehmen.
     
    Ich räusperte mich, um mich aus meinen Tagträumen zu reißen und setzte mich wieder vorsichtig neben Charlotte. Nate spielt noch immer mit Celia und unterhielt sich nebenbei mit seiner Schwester, als wäre es für ihn selbstverständlich, sich um ein Kleinkind zu kümmern.
    In den letzten Jahren hatte ich verstanden, dass es für Nate und mich niemals ein „Wir“ geben würde und nach Celia lebte ich sowieso nur noch für sie. Es war zu spät und ich wusste, dass ich mit meinem Leben, so wie es war, zufrieden sein konnte. Ich hatte meine eigene, kleine Familie und wusste, dass Celia das Wichtigste in meinem Leben war. Sie glücklich zu machen, war der einzige Grund meiner Existenz.
     
    Charlotte sah mich aufmerksam an. Es schien, als hätte sie diesen eindringlichen Blick, mit dem jede Mutter die Gedanken und Gefühle ihrer Kinder erkennen konnte. Ich hoffte nur, dass mir nicht ins Gesicht geschrieben stand, was ich dachte. Wir waren erwachsen geworden und die kindische Verliebtheit, die mich damals in die schlimmste Situation meines Lebens gebracht hatte, war auf der Strecke geblieben.
    „Du siehst müde aus!“ sagte sie nun und musterte mich erneut prüfend.
    Ann, die sich erst jetzt von Celia und dem kleinen Stoffelefanten lösen konnte, stimmte ihrer Mutter zu.
    „Am besten gehst du nach oben und ruhst dich etwas aus. Wir kümmern uns um Celia!“ stimmte sie ihrer Mutter zu und nahm ihrem Bruder das kleine Mädchen ab. Sie gab Celia einen Butterkeks und mit einem glücklichen Lächeln begann mein Mädchen das Gebäck zu essen.
     
    Charlotte stand auf und zog mich mit sich. Der gestrige Überfall forderte seinen Tribut. Mein Körper schmerzte bei jedem Schritt und obwohl ich es niemals zugegeben hätte, war ich Charlotte unendlich dankbar für ihre Hilfe. Ohne große Worte und ohne stochernde Fragen hatte sie uns bei sich aufgenommen und ich wusste, dass Celia in guten Händen war.
    Gemeinsam stiegen wir die große Marmortreppe in der

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