Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
Fall ein Todesstreich für sein Heer sein würde, spornte er sein Pferd auf ihn ein und versetzte ihm mit seinem Säbel eine schwere Wunde.
Bevor er seinen Hieb wiederholen konnte, führte Theudemir eine Schaar christlicher Ritter zu seiner Rettung herbei, und Tarek wurde durch das Ungestüm des Gefechtes von seiner Beute getrennt. Mit Wunden bedeckt und durch den Blutverlust erschöpft, sank der Prinz zu Boden. Ein treuer Page zog ihn unter den Hufen der Pferde hervor und führte ihn, unterstützt von einem bejahrten Krieger, einem alten Vasallen Ataulph’s, eine kurze Strecke abseiten des Schlachtfelds, an den Rand einer kleinen Quelle, welche aus dem Felsen rieselte. Sie stillten das aus seinen Wunden fließende Blut und wuschen ihm den Staub von dem Angesicht und legten ihn an der Quelle nieder. Der Page saß zu seinen Häupten und hielt seinen Kopf auf seinen Knieen; der alte Kriegsmann stand zu seinen Füßen, das Antlitz gesenkt und die Augen mit Schmerz gefüllt. Der Prinz kam allmählig zu sich und öffnete seine Angen.
»Wie steht es mit der Schlacht?« sagte er.
»Der Kampf ist heiß,« versetzte der Kriegsmann, »aber der Sieg kann immer noch unser werden.«
Der Prinz fühlte, daß sein Tod nahe war, und hieß sie, ihm auf seine Kniee zu helfen. Sie hoben ihn auf, und er betete eine kleine Weile mit glühender Andacht, bis er, im Gefühle seiner stets wachsenden Schwäche, dem alten Krieger winkte, sich neben ihn auf den Fels zu setzen. So beichtete er, immer noch auf seinen Knien liegend, diesem alten Kriegsmanne seine Sünden; denn es war kein Priester oder Mönch zur Hand, welcher in dieser letzten Stunde dieses Amt bei ihm hätte verrichten können. Als dies geschehen war, sank er wieder auf die Erde und drückte seine Lippen darauf, gleichsam als wollte er seinem geliebten Heimathlande ein herzliches Lebewohl sagen. Der Page wollte nun sein Haupt aufheben, fand aber, daß sein Gebieter den Geist aufgegeben hatte.
Ein Haufen arabischer Krieger, welche zu der Quelle kamen, um ihren Durst zu löschen, schlugen dem Prinzen das Haupt ab, trugen es im Triumphe zu Tarek und riefen: »Seht hier das Haupt des christlichen Heerführers!«
Tarek befahl sogleich, das Haupt mit dem Waffenrock des Prinzen auf die Spitze einer Lanze zu stecken und es unter dem Klange der Trompeten, Pauken und Cymbeln auf dem Schlachtfelde umher zu tragen.
Als die Christen den Waffenrock sahen und die Züge des Prinzen erkannten, bebten sie vor Schrecken, und Herz und Hand verloren ihre Kraft. Vergeblich bemühte sich Theudemir, sie zu sammeln; sie warfen ihre Waffen weg und flohen; und sie flohen immerdar, und der Feind verfolgte sie immerdar und hieb sie zusammen, bis die Dunkelheit der Nacht kam. Jetzt kehrten die Moslemen zurück und plünderten das christliche Lager, wo sie reiche Beute fanden.
Dreizehntes Kapitel.
Schrecken des Landes. – Roderich greift selbst zu den Waffen.
Die zerstreuten Flüchtlinge des christlichen Heeres erfüllten das ganze Land mit Schrecken. Die Bewohner der Städte und Dörfer sammelten sich um sie, wie sie an ihren Thüren um Nahrung baten oder an den öffentlichen Brunnen sich kraftlos und verwundet niederlegten. Als sie die Geschichte ihrer Niederlage erzählten, schüttelten die Greise ihre Häupter und seufzten, und die Frauen weinten laut und klagten. Ein so neues und unerwartetes Ungemach erfüllte sie mit Angst und Verzweiflung; denn seit langer Zeit hatte des Getümmel des Krieges nicht in ihrem Lande wiedergehallt, und dies war ein Krieg, welcher Ketten und Sklaverei und alle Arten von Schrecken in seinem Gefolge hatte.
Don Roderich saß mit Exilona, seiner schönen Gemahlin, in dem königlichen Palaste, welcher die felsige Höhe von Toledo krönt, als der Ueberbringer der Unglücksbotschaft über die Brücke des Tajo in die Stadt jagte.
»Welche Nachricht bringst du von dem Heere?« fragte der König, als der keichende Bote vor ihn geführt wurde.
»Nachrichten kläglichen Inhalts!« rief der Kriegsmann. »Der Prinz ist im Kampfe gefallen. Ich habe sein Haupt und seinen Waffenrock auf einer maurischen Lanze gesehen. Das Heer ist überwältigt und in die Flucht gejagt worden.«
Als Roderich diese Worte hörte, bedeckte er sein Antlitz mit seinen Händen und saß eine Zeitlang schweigend da; und alle seine Höflinge standen stumm und starr, und keiner wagte ein Wort zu reden.
In diesem furchtbaren Zwischenraume des Schweigens gingen an Roderich’s Seele alle seine Fehler
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