Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
und blassem, abgemagertem Gesichte. Er hatte die vergangene Nacht schlaflos hingebracht und war den ganzen Tag in den Umgebungen der Stadt gewesen; er war daher durch Wachen und Ermüdung erschöpft, und sein Gewand war mit Staub bedeckt.
»Welch ein Teufel von einem Menschen ist dies,« sagten die Abgesandten leise unter sich, »daß er an dem Rande des Grabes eine solche Belagerung unternimmt! Laßt uns unsre Stadt nach unsern besten Kräften vertheidigen; wir halten es gewiß länger aus, als das Leben dieses Graubarts währt.«
Sie kehrten daher in die Stadt zurück und höhnten eines Eindringlings, der geeigneter schien, sich auf eine Krücke zu stützen, als eine Lanze zu handhaben. Und die Bedingungen, welche Musa anbot, und die man sonst für ehrenvoll erachtet hätte, wurden von den Bewohnern der Stadt höhnisch zurückgewiesen. Wenige Tage enttäuschten sie aber in ihrer schlecht berechneten Zuversicht.
Abdalasis, der Sohn Musa’s, kam an der Spitze eines Verstärkungs-Heeres aus Afrika; er brachte sieben tausend Reiter und eine Unzahl Bogenschützen aus den Barbaresken-Staaten mit; es war ein prachtvolles Schauspiel, ihn mit diesem Heere in das Lager ziehen zu sehen. Die Ankunft dieses jungen Kriegers wurde mit dem größten und lautesten Jubel begrüßt, so sehr hatte er sich durch die Gradheit, Offenheit, die Anmuth und das Edle seines Benehmens die Herzen der Araber gewonnen. Sogleich nach seiner Ankunft wurde ein großer Sturm gegen die Stadt unternommen, und da viele der großen Sturmmaschinen vollendet waren, wurden sie auf Rädern heran gebracht und begannen, gegen die Stadt zu donnern.
Der wankelmüthige Pöbel wurde von Neuem von Schrecken ergriffen; abermals umringten sie den Befehlshaber der Stadt mit Geschrei und Wehklagen und zwangen ihn, eine zweite Gesandtschaft an den arabischen Feldherrn zu senden, um nochmals wegen der Uebergabe zu unterhandeln. Als die Abgesandten vor Musa erschienen, konnten sie ihren Augen kaum trauen uns waren ungewiß, ob dies der welke, weißköpfige alte Mann sei, von welchem sie neulich so wegwerfend gesprochen hatten. Sein Haupthaar und sein Bart waren mit einem röthlichen Braun gefärbt; seine Züge waren durch Ruhe erfrischt, und der Unwille färbte seine Wange; überhaupt erschien er als ein Mann in der reifen Kraft seines Lebens. Die Abgeordneten waren von Schauer durchbebt.
»Gewiß,« sagten sie leise unter sich, »dies ist entweder der Teufel oder ein Zauberer, welcher sich nach Belieben alt und jung machen kann.«
Musa empfing sie stolz.
»Fort!« sagte er, »fort von hier, und sagt denen, die euch senden, daß ich ihnen dieselben Bedingungen zugestehe, welche ich ihnen schon ein Mal angeboten habe, sofern sich nämlich die Stadt augenblicklich ergibt; aber ich schwöre es bei dem Haupte des Propheten, zögert man nur im geringsten, so soll Keiner, der da athmet in der Stadt, von mir Gnade erhalten.«
Blaß und niedergeschlagen kehrten die Abgesandten in die Stadt zurück.
»Beeilt euch.« sagten sie; »beeilt euch und nehmt jede Bedingung an, welche man euch stellt; was nützt es, gegen Männer zu fechten, welche sich nach Gefallen verjüngen können? Seht, neulich verließen wir den Anführer den Ungläubigen als einen alten schwachen Mann, und heute haben wir ihn jung und kräftig wieder gefunden.« [Fußnote:
Conde , p. I. cap. 13. Ambrosio de Morales .
– Wir wollen nicht unbemerkt lassen, daß in der auf Befehl Alonso’s des Weisen verfaßten Chronik dieses Begebniß als bei der Belagerung von Sevilla vorgefallen erzählt wird. – Der Verf. ]
Die Stadt wurde demzufolge unverweilt übergeben, und Musa hielt seinen siegreichen Einzug. Seine Bedingungen waren gnädig. Diejenigen, welche bleiben wollten, wurden in ihren Rechten, Besitzungen und in ihrem Glauben geschützt; er nahm nur das Eigenthum derer, welche die Stadt verließen oder im Kampfe gefallen waren; auch nahm er alle Waffen und Pferde, so wie die Kostbarkeiten und Schätze der Kirchen für sich in Anspruch. Unter der Beute, welche auf diese Weise aus heiligen Orten herrührte, war ein Becher, der aus einer einzigen Perle gefertigt worden und den ein ehemaliger König von Spanien aus dem Tempel von Jerusalem mitgebracht hatte, als er von Nebucadnezar zerstört worden war. Diesen kostbaren Becher bot Musa dem Kalifen als Geschenk dar, und er wurde in der ersten Moschee der Stadt Damaskus aufbewahrt. [Fußnote:
Marmol , Descript. de Africa. T. I, l. 2.
– Der Verf.]
Musa
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