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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lange getötet. Schade, daß man sie später nicht sezieren kann … Man würde ein kleines medizinisches Wunder erleben …«
    »Wo ist Matilda jetzt?« fragte die Bondarewa.
    »Ich glaube, in San Francisco …«
    »Was sie nicht alles sieht! Hat sie geschrieben?«
    »Borja hat ein Telegramm geschickt. Amerika muß ein grandioses Land sein. Er ist begeistert. Da gibt es Häuser, deren Dach man nur erblicken kann, wenn man den Kopf weit in den Nacken legt. Neue Turmbauten zu Babel! Er bringt Bilder mit …«
    »Da muß er sich aber beeilen!« sagte die Bondarewa, immer noch milde.
    Mustin fror es plötzlich. Sie weiß es, durchzuckte es ihn. Sie weiß genau, woran sie leidet. Und sie beobachtet sich in aller Stille. Welch eine Frau …!
    Dann geschah es plötzlich. Am 20. Juni 1904, morgens um halb zehn Uhr.
    Rosalia Antonowna stöhnte dumpf, hatte nicht mehr die Kraft auf die Klingel zu drücken und versank in Bewußtlosigkeit.
    Als Mustin und der Kammerdiener in das Schlafzimmer kamen, weil sie nichts von der Bondarewa gehört hatten, lag sie wachsgelb quer über dem breiten Bett und atmete röchelnd. Der Arzt, der eine halbe Stunde später eintraf, packte seinen Koffer nicht mehr aus …
    Er setzte sich neben Rosalia Antonowna auf die Bettkante, nahm ihre Hand und wartete.
    Um die Mittagszeit war es zu Ende. Das Herz setzte aus. Mustin, der Zwerg, kniete am Bett nieder und betete, die Stirn auf die kalt werdende Hand Rosalias gelegt.
    »Hatte sie gestern starke Schmerzen?« fragte der Arzt noch. »Kündigte sich etwas an?«
    Mustin schüttelte den Kopf. »Das war das letzte, was ich von ihr weiß: Sie hat am Abend einen Saubraten gegessen …«
    »Gerechter Himmel!«
    »Sie hatte solch einen Heißhunger darauf. Hinterher hat sie noch drei Wodka getrunken!«
    »Das war Selbstmord!«
    »›Ich fühle mich so wohl wie ein Hund ohne Flöhe!‹ sagte sie hinterher! So war sie! Zum erstenmal seit Wochen aß sie einen Batzen Fleisch. Jetzt freue ich mich, daß sie es getan hat. Sie war hinterher so fröhlich wie selten …«
    Man begrub Rosalia Antonowna in einer Gruft auf dem Tischwinski-Friedhof des Alexander-Newskij-Klosters. Das hatte Mustin erreicht. Da lag sie nun inmitten der Berühmtheiten Rußlands, nicht weit von Tschaikowsky und Mussorgsky entfernt, in unmittelbarer Nachbarschaft von Alexander Borodin. Es war ein stilles Begräbnis.
    Matilda und Borja waren in New Orleans, und selbst wenn sie die Tournee abgebrochen hätten, so wären sie für den letzten Gang nicht mehr rechtzeitig zurückgekommen. Sosehr Mustin auch seine Beziehungen spielen ließ, es gelang ihm nicht, Rosalia von Amts wegen in Eisblöcke legen zu lassen, um sie für die Rückkehr Matildas aufzuheben.
    »Wann kann Matilda Felixowna hier sein?« fragte der Leiter der zuständigen Behörde, schon über diesen Antrag allein entsetzt. »In frühestens drei Wochen? Solange soll ein toter Christenmensch über der Erde liegen? Mustin Fedorowitsch, wollen Sie Gott lästern? Völlig unmöglich ist das! Das müssen Sie doch einsehen …«
    So trug man beim Begräbnis nur einen riesigen Kranz hinter dem Sarg her, der die Anwesenheit Matildas symbolisieren sollte. Auf einer schwarzen Schleife stand mit goldenen Buchstaben:
    »Mutter, unsterbliche Mutter!«
    Auch der Zar schickte Blumen. Einen Korb voll roter Rosen. Nirgendwo stand, daß sie von Nikolaus II. kamen, aber jeder wußte es.
    Sechs Wochen später kamen Matilda Felixowna und Boris Davidowitsch zurück. Ihr erster Weg führte sie zum Friedhof an Rosalia Antonownas Grab.
    »Sie war mit einem Paukenschlag weg«, berichtete Mustin, als sie nach einer Stunde stiller Zwiesprache mit der Toten die lange Allee zum Ausgang zurückgingen.
    »So, wie sie es wohl immer wollte: Glücklich, daß sie ganz satt war! Ihre letzten Worte zu mir waren: Es geht besser, du Holzkopf! Morgen brate ich mir ein Gänschen …« Mustin putzte sich die Nase. »Wir dürfen nicht weinen, das hatte sie sich auch verboten. Am liebsten sähe sie es, glaube ich, wenn wir jetzt auf ihr himmlisches Glück Champagner trinken würden. Daran hatte sie sich gewöhnt. Sie trank zuletzt jeden Tag ein paar Gläser und meinte zufrieden: ›Ein Satanszeug ist das, Mustin! Aber es tut meinem Magen so gut! Kaum ist es drin, so muß ich kräftig aufstoßen – und schon fühle ich mich wohler!‹ Und der Arzt sagt zu mir: ›Laß sie machen, was sie will. Sie soll das, was sie Glück nennt, noch voll genießen. Man kann ihr nichts mehr

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