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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dir eine Fleischpirogge machen?«
    »Ich bin frei!« Mustin starrte an Rosalia vorbei die Wand mit der Seidentapete an. »Der Zar hat mich in Gnaden entlassen. Man braucht mich nicht mehr. Ich bin überflüssig. Es gibt so viele dumme Narren, daß man auf einen klugen verzichten kann. Außerdem wünscht es die Zarin. Sie ekelt sich vor mir. Sie sagt, ihre Töchter träumen von mir und wimmern im Schlaf. Ich erschrecke die kleinen Großfürstinnen. Mein Anblick sei unerträglich, ich müßte weg! Dann hat mich der Zar umarmt und entlassen. So war es!«
    Mustin, der Zwerg, lehnte sich zurück, drückte den Hinterkopf an das Polster, starrte an die bemalte Stuckdecke und weinte. Es war ein unbeschreiblicher Anblick: Dem häßlichsten Menschen der Welt rollten Tränen über das zuckende Gesicht.
    Undankbarkeit, sonst eine der Untugenden regierender Häupter, kannte Zar Nikolaus II. nicht. Zwar war er durch die Abneigung der Zarin gezwungen, seinen Narren Urasalin zu entlassen, aber er beschenkte den Zwerg reichlich.
    Die Familie Stroitsky hatte an dem Palais in St. Petersburg das Interesse verloren, die Familienmitglieder lebten besser auf ihren Gütern, fern der Politik, unbeobachtet, wie kleine Könige in ihrem Reich aus Wäldern, Feldern, Sümpfen und Salzsiedereien. Wie die Stroganows unterhielten sie eine schlagkräftige, kleine Privatarmee, die sie als Landarbeiter getarnt hatten, und keiner störte sie und ihr Treiben.
    Selbst der Steuereinnehmer kam mit tief gezogenem Hut und entsprechenden Verbeugungen in das Schloß, durfte einen Abend lang mit den Stroitskys tafeln und unmäßig trinken, und fuhr am nächsten Morgen zufrieden zurück, natürlich ohne Prüfung, ob der eingenommene Steuerbetrag richtig war.
    Zar Nikolaus II. kaufte dann von den Stroitskys das Petersburger Palais und schenkte es Mustin, dem Zwerg, als Abfindung und als Dank für treue Dienste.
    »Du hast es verdient«, sagte er zu Mustin beim endgültigen Abschied. »Verwalte das Haus gut. Hast du Erben?«
    »Ich werde es wahrscheinlich Rosalia Antonowna Bondarewa vererben, wenn sie mir Zeit läßt, das Testament zu machen. Und nach ihr wird es Matilda Felixowna übernehmen …«
    Der Zar nickte zufrieden.
    Das war es, was du hören wolltest, dachte der schlaue Zwerg. Über mich wandert das Geschenk dahin, wo es eigentlich gleich landen sollte! Auch so kann man es machen. Was soll ein häßlicher, einsamer Zwerg auch mit einem Palais?
    Er küßte dem Zaren die Hand, was dieser widerwillig duldete, denn diese Art von Unterwürfigkeit beschämte ihn immer wieder.
    Mustin fuhr anschließend sofort zur Bondarewa, rannte in den Salon und baute sich mit in die Seiten gestützten Armen an der Tür auf.
    »Hinaus!« rief er streng. »Rosalia Antonowna, packen Sie Ihre Sachen! Der Zar hat mir soeben dieses Palais geschenkt! Der neue Besitzer bin ich! Das Palais wird gereinigt, besonders von Ihnen! Erheben Sie sich aus den faulen Polstern, und kümmern Sie sich um Ihre Koffer!«
    Rosalia Antonowna blieb ungerührt sitzen. Sie sah Mustin freundlich an, trank einen Schluck Pfefferminztee – gegen den ›nervösen Magen‹ – und sagte gütig:
    »O du hinkender stinkender Bock! Was würde wohl aus dir, wenn ich wirklich ginge?«
    »Endlich ein fröhlicher Mensch!«
    »Ein Trauerkloß! Komm her und trink deinen Wein! Schenkt ihm der Zar das Stroitskypalais! Welch ein schlechtes Gewissen muß der Mann haben. Natürlich hast du ihm die Hand geküßt, natürlich bist du weggeflossen vor Dankbarkeit! Du hättest ihn in die Hand beißen sollen, das hätte er verdient! Jagt seinen guten Freund weg und streut in die Wunde Zucker! Als ob sie davon heilen würde …«
    Sie zeigte auf das Sofa, Mustin setzte sich und wartete, bis der Diener seinen Lieblingswein, einen goldgelben, süßlichen Tropfen aus Georgien, gebracht hatte.
    »Nun hast du das Palais«, fuhr sie fort, »kannst du es aufessen?«
    »Der Zar bezahlt die Dienerschaft und gewährt mir im Jahr sechstausend Goldrubelchen Pension!«
    »Das ist großzügig.«
    Die Bondarewa wiegte den Kopf. Auch er war schmal geworden, geschrumpft, zusammengefallen. Das Essen machte ihr Schwierigkeiten; sie stieß immer auf, manchmal erbrach sie sich auch, und wenn die Speisen im Magen blieben, dann verwandelten sie sich in große Feldsteine, so fühlte es sich an und so drückten sie auch.
    Der Arzt verschrieb Pülverchen und Tröpfchen, aber zu Mustin sagte er: »Sie hat eine Roßnatur. Jede andere hätte der Krebs schon

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