Es gibt kein nächstes Mal
hatte Meryl einen
ungewöhnlich zynischen Humor. Gemma stellte fest, daß sie mit ihr über Witze
lachen konnte, wie sie es seit ihren Oxford-Zeiten nicht mehr erlebt hatte. Außerdem
faßten die beiden augenblicklich Vertrauen zueinander, und es herrschte die
unausgesprochene Übereinkunft, nicht über die Arbeit zu reden. Wenn eine von
beiden privat eine schlimme Phase durchmachte, dann scheute sie nicht davor
zurück, es der anderen einzugestehen. Es war eine Freundschaft, die Gemma zu
einem Zeitpunkt, zu dem sie andernfalls vollständig zusammengebrochen wäre,
ganz dringend gebraucht hatte.
Nachdem er sich monatelang mit lästigen, aber
weitgehend belanglosen Krankheiten herumgequält hatte, die in einer akuten
Gürtelrose gegipfelt hatten, hatte man bei Boy schließlich »HIV-positiv«
diagnostiziert. Gemma hatte dieses Untersuchungsergebnis schon seit einer
ganzen Weile befürchtet. Fast war sie erleichtert, endlich zu wissen, woran sie
waren, aber sie wußte nicht, wie sie beide damit umgehen sollten.
Verständlicherweise geriet Boy in Panik. Obwohl sie dringend fortwollte und
sich danach sehnte, einen Ort zu finden, an dem sie in Ruhe nachdenken konnte,
hatte es ihr widerstrebt, ihn auch nur für die kurze Dauer der Buchmesse, die
in jenem Jahr in Seattle stattfand, allein zu lassen.
Bei dem Abendessen mit Meryl dann, die damals
für sie noch eine Fremde war, hatte sie sich dabei ertappt, daß sie ihre Sorgen
hervorsprudelte. Und es überraschte sie selbst, daß sie das für sie untypische
Risiko einging, ihr Privatleben mit ihrem Berufsleben zu vermischen. Meryl war
einfach großartig gewesen: hilfsbereit, unvoreingenommen und enorm realistisch.
Die meisten anderen Bekannten, die Gemma in New York hatte, waren ursprünglich
mit Boy befreundet gewesen. Sie kam gut mit ihnen aus, aber manchmal konnte sie
das Gefühl nicht abschütteln, in ihren Augen ein seltsames, fremdartiges
Anhängsel zu sein. Meryl war tatsächlich der einzige Mensch in New York, zu dem
sie ganz von sich aus eine enge Beziehung hergestellt hatte. Sie hütete diese
Freundschaft wie einen Schatz und ließ Boy nie nah genug herankommen, um sie
auf seine verrückte, charmante Art an sich zu reißen.
Als Gemma erklärte, sie würde ihren Job kündigen
und nach London zurückkehren, hatte Meryl es einfach nicht fassen können.
»So gut, wie du hier dastehst«, sagte sie und
bezog sich dabei auf die Arbeit. »England ist ein so kleiner Markt. Wirst du
dich dort nicht langweilen?«
»Das kann schon sein«, hatte Gemma daraufhin
erwidert, »aber es gibt ein paar Dinge in meiner Vergangenheit, die ich klären
muß...«
Das war die Art von Aussage, die die New Yorker
mit ihrem Hang zur Analyse gut verstehen konnten.
Schließlich hatte Meryl akzeptiert, daß Gemma
eine mutige Entscheidung traf. »Dann wirst du also die Expertin für
Liebesromane werden«, hatte sie gefeixt und sich dabei auf den Job bezogen, den
Gemma in einem Verlag angenommen hatte, der für seine romantischen Schmöker
berühmt war.
»Ja, wenn das nicht eine verfluchte Ironie ist«,
sagte Gemma.
Männer oder, besser gesagt, der Mangel an ihnen,
war ein weiterer Punkt, den Meryl und Gemma gemeinsam hatten. In New York
schien es einfach keine Männer zu geben, die zu haben waren. Sie wünschten sich
doch nichts weiter, sagte Meryl immer wieder, als zwei nette Typen. War das
etwa zuviel verlangt? Natürlich mußten sie intelligent sein (fügte Meryl hinzu)
und solvent (warf Gemma ein), und außerdem sollten sie einigermaßen gut
aussehen und ungebunden sein (rief sich Meryl regelmäßig ins Gedächtnis), weil
sie ihre Ehefrauen ja doch nie verlassen würden (stimmten sie im Chor an), und
das war eigentlich auch schon alles. Abgesehen davon, daß sie groß sein mußten
(sagte Meryl dann — sie maß knapp einsfünfundachtzig, hatte die Figur eines
Mannequins und trug gern hohe Absätze) und geistreich (beharrte Gemma) und gut
im Bett (tatsächlich, räumte Meryl dann ein, dürften sie sogar häßlich oder
sportbegeistert sein, wenn sie das dafür mitbrächten). In ihrem
jeweiligen Geschmack gab es geringfügige Abweichungen. Gemma war noch nie einem
kahlköpfigen Mann begegnet, den sie attraktiv gefunden hätte, doch das wiederum
konnte Meryl akzeptieren, solange er nur keine Haare auf dem Rücken hatte.
Nach etlichen Martinis und einer ausgiebigen
Diskussion war Meryl einmal in gräßliche Panik geraten.
»Was ist, wenn wir diesen Typen kennenlernen,
aber es gibt nur
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