Es gibt kein nächstes Mal
Lieblingsbeschäftigungen
nachgehen«, antwortete Gemma.
Was ihr an den Elizabeth-Arden-Salons am besten
gefiel, war das Ritual. Sowie man seine Straßenkleidung gegen einen rosa
Bademantel und Papierpantoffeln eingetauscht hatte, trat die harte Realität in
den Hintergrund, und die Welt der Schönheit übernahm die Herrschaft. Welches
jungfräulich unberührte Exemplar von Vogue oder Vanity Fair würde
man geistesabwesend durchblättern, während man auf seine persönliche Masseurin
wartete? Würde man sich für eine Aromatherapie oder für eine Lymphdrainage
entscheiden? Würde man für die Fingernägel und die Fußnägel den Lack im selben
Farbton wählen?
Eingesponnen in die Geborgenheit des Salons an
der Fifth Avenue, gab das schwache Rauschen des Verkehrs, das ein kaum
wahrnehmbares Hintergrundgeräusch für die sanften Worte des Personals bildete,
den einzigen Hinweis darauf, daß auch noch eine andere Welt existierte. Gemma
hatte eine Massage gebucht, gefolgt von einer Maniküre, einer Pediküre und
einer Gesichtsbehandlung. Normalerweise hätte sie nur eine oder zwei
Möglichkeiten aus diesem Angebot genutzt, aber an ihrem letzten Tag in New York
würde sie sich diese Zügellosigkeit leisten. Sie hatte noch gar nicht darüber
nachgedacht, ob es in London einen Elizabeth-Arden-Salon oder etwas Vergleichbares
gab, denn als sie das letzte Mal in England gewesen war, hatten sich
Kosmetiksalons weder mit ihrem Milieu noch mit ihren finanziellen Verhältnissen
vereinbaren lassen. Als sie der Kosmetikerin gegenüber erwähnte, daß sie noch
am selben Nachmittag einen Transatlantikflug antreten würde, hatte man ihr
gratis einen Mineralwasserzerstäuber überreicht; und als sie wieder in den
Trubel des spätmorgendlichen Manhattan hinaustrat, fühlte sie sich grandios
verwöhnt.
»Brooklyn — ein hübscher Ort für einen Besuch,
ein toller Ort, um dort zu leben!« Das Schild mit seiner ausgeblichenen
Aufschrift und der abblätternden Farbe, die es ebenso halbherzig aussehen ließ,
wie seine Botschaft klang, entlockte ihr immer wieder ein Lächeln. In Brooklyn
gab es Gegenden, in die sich die meisten New Yorker zu Fuß nicht vorwagen
würden. Als sie früher dort gewohnt hatte, war sie tapferer und ärmer gewesen
oder vielleicht auch nur dümmer, und sie war überall mit der U-Bahn
hingefahren. Doch sobald sie nach Manhattan gezogen war, war es ihr erschienen,
als sei Brooklyn sehr weit fort, eine fremdartige städtische Wüste, die man nur
per Taxi gefahrlos durchqueren konnte. Einen sentimentalen Moment lang
bedauerte sie es, nicht genügend Zeit zu haben, um ein letztes Mal in der
U-Bahn über die Manhattan Bridge zu holpern.
Im Diner hatte sie damals zum ersten Mal mit Boy
zu Abend gegessen. Es war ein gewöhnliches kleines Lokal mit einer Theke und
ein paar Resopaltischen, in einer schmuddeligen Gegend nicht weit von der
Atlantic Avenue gelegen. Es hatte nichts Besonderes an sich, wenn man von
seinem Namen absah — El Palacio de Batidos Y la Casa del Famoso Biftek —
, der für ein Lokal, das wahrscheinlich Platz für insgesamt sechzehn Personen
bot, ziemlich hochtrabend war.
Der Palast der Milch-Shakes UND das Haus
des berühmten Beefsteaks. Das Und war es gewesen, worüber Boy sich
derart amüsiert hatte.
»Es klingt wie ein Romantitel von Gabriel Garcia
Márquez«, hatte er gesagt. »Ich stelle mir zwei kubanische Brüder vor, einer
von ihnen ein meisterlicher Milch-Shake-Mixer, der andere ein vollendeter
Grillspezialist. Jeder von beiden hat sein Restaurant eröffnet, doch die Armut
oder vielleicht auch eine Heirat hat sie gezwungen, sich zusammenzutun, aber
keiner der beiden Brüder ist bereit, den Namen seines Restaurants
aufzugeben...«
Sie erinnerte sich daran, wie er mit den Armen
durch die Luft gefuchtelt, gekichert und dieses Thema ausschweifend erörtert
hatte. Sie hatten mindestens eine Stunde in einem U-Bahnwagen ohne Klimaanlage
zurückgelegt, um dorthin zu gelangen. Das Essen war passabel, nicht anders als
in jedem x-beliebigen Ecklokal, doch Boy hatte diesem Ort Zauber verliehen. Sie
wußte noch genau, daß sie damals fand, der batido de mango sei eines der
köstlichsten Getränke, die sie je gekostet hatte. Jetzt empfand sie ihn als
sehr süß, ganz so, als käme der Mangogeschmack aus einer Dose. Sie leerte
schnell ihr Glas, bezahlte und ließ den Kassenbeleg als Souvenir in ihre Tasche
gleiten.
Der Taxifahrer, den sie gebeten hatte zu warten,
sah sie im Rückspiegel an und
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