Es ist ja so einfach
vergessen suchen. Du aber sollst Deinen Luigi nicht vergessen.« Das werde ich bestimmt nicht, dachte ich. Der Mann war ja eine französische Komödie in drei Akten, alle drei bedauerlich schlecht. »Damit ich im Geiste dort bin, um Dir Deine Hartherzigkeit vorzuwerfen, schicke ich Dir meinen Venedig — meinen unbezahlbaren Schatz. Nein, protestiere nicht. Ich bin ja großzügig.« Protestieren? Das wäre ein sehr gelinder Ausdruck. Zischend wie eine Schlange verfluchte ich Luigi. »Jawohl, stolz erkläre ich hier, daß Venedig jetzt Dir gehört, und wenn Du in seine liebevollen Augen schaust, sollst Du an noch liebevollere denken, die nun für immer von Dir abgewendet sind, und sollst es bereuen.« Bereuen — damit hatte er recht. Ganz gewaltig bereute ich, ihn überhaupt kennengelernt zu haben! »Während ich bald nach der kalten Morgendämmerung über Dein Dach hinwegschwebe, werde ich Dir das letzte Lebewohl hinabrufen. Ein Lebewohl von Deinem Luigi, dem Du das Herz gebrochen hast.«
Es folgte eine Nachschrift, die mir bewies, daß die Italiener unter all ihrem Palaver doch praktische und geschäftstüchtige Leute sind. »Im inliegenden Kuvert wirst Du alles finden — Zuchtbuch, Übereignungsurkunde und Decknachweis. Alles, was Du brauchst, damit Venedig für immer der Deine wird.«
Für ewig der Meine. Ein entsetzlicher Gedanke! Nein, meinen italienischen Courmacher vergaß ich bestimmt nie und nimmer.
Ich dachte gar nicht daran, das zweite Kuvert zu öffnen. Was scherten mich das Zuchtbuch und andere anrüchige Einzelheiten! Nur eins wünschte ich mir: Luigi beim Kragen zu packen und ihn zur Zurücknahme dieses greulichen Hundes zu zwingen. Ich griff nach dem Telefon, doch gerade als ich den Hörer anhob, vernahm ich das laute Brummen des Morgenflugzeugs und stellte mir vor, daß in ihm, behaglich ins Polster gelehnt, Luigi saß, der selbstzufrieden in die Tiefe blickte und mir endgültig sein Lebewohl zurief. Mir? Ach, Unsinn. Sehr wahrscheinlich war er damit beschäftigt, das hübscheste Mädchen in seinem Gesichtskreis mit rollenden Augen zu bezaubern.
Einstweilen aber ging es hier um den Hund. Der schien sich in meinem Bett beängstigend wohl zu fühlen und begann schon, friedlich zu schnarchen. Entschieden hielt er sich für die ungemütliche Nacht schadlos, die er angekettet vor meiner kalten Haustür verbracht hatte. Einen Augenblick tat er mir leid, doch ich stählte mein Herz. Für mich wurde jetzt der Tag ungemütlich!
Loswerden mußte ich das Tier selbstverständlich sofort. Haustiere waren in diesen teuren Wohnungen absolut verboten. Ein Gerücht besagte, daß jemand, der hier einziehen wollte und gebeten hatte, seinen kleinen Papagei mitbringen zu dürfen, prompt in die Flucht geschlagen worden sei. Um Mieter war man hier nicht verlegen. Eine ganze Schlange von Anwärtern hätte bereitgestanden. Nein, der Hund mußte noch an diesem Morgen verschwinden.
Wie aber sollte ich mich von einer großen Dogge befreien, die fest schlafend in meinem Bett lag? Vom Tierschutzverein wußte ich überhaupt nichts und stellte mir dummerweise vor, ein an diese Organisation gestellter Antrag führe unweigerlich zur Tötung des Tieres, und das ging mir denn doch gegen den Strich. Also blieb nur die Möglichkeit, es zu verkaufen. Komischerweise zwickte mich auch bei diesem Gedanken das Gewissen, denn der Hund war sehr schön. Aber Skrupel, Luigis Abschiedsgeschenk zu verkaufen, hatte ich keineswegs. Von dem Mann hatte ich mir schon genug gefallen lassen.
Er war vor einem halben Jahr in mein Leben getreten, ganz beiläufig, graziös und gewandt und von bestechendem Selbstvertrauen erfüllt. Damals war er erst kurze Zeit in Neuseeland und schien in unbestimmter Funktion mit dem diplomatischen Korps seines Landes zu tun zu haben. Nach meiner Überzeugung wohl nur ehrenamtlich, denn mit festem Gehalt engagiert hätte gewiß niemand den für Arbeit völlig unbrauchbaren Luigi.
Immerhin war er ein hübscher Mensch, war amüsant und besaß viel Geld. Daher fand ich es anfangs nicht unangenehm, daß er sich mir anschloß. Eigentlich war das sogar ein Triumph, weil ich im Gegensatz zu den meisten meiner Freundinnen berufstätig war, also kein Schmetterling der geselligen Kreise. Ich bezeichnete mich sogar gern als berufstätige Frau.
Mit meiner >Karriere< hatte ich angefangen, bevor Mutter starb — vier Jahre vor Luigis Erscheinen — , weil ich vernünftigerweise einsah, daß später nicht genug Geld da sein
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