Es: Roman
Erwachsene, und es hört sich wie Unsinn an; es klingt wie Wischi-waschi. Warum ist das so, Richie? Warum?
Weil Derry so unheimlich ist wie eh und je. Warum belassen wir’s nicht einfach dabei?
Weil die Dinge nicht so einfach sind, deshalb.
Er selbst war ein Hanswurst gewesen, ein manchmal vulgärer, manchmal amüsanter Spaßvogel, denn das war für ihn die einzige Möglichkeit gewesen, irgendwie zurechtzukommen, ohne sich von Burschen wie Henry Bowers total fertigmachen zu lassen oder vor Langeweile und Einsamkeit einfach überzuschnappen. Im Nachhinein begriff er, dass die Tatsache, dass sein Verstand zehn- oder zwanzigmal schneller arbeitete als der seiner meisten Mitschüler, einen Großteil seiner Probleme verursacht hatte. Seine Klassenkameraden hatten ihn für komisch, sonderbar, etwas unheimlich oder schlichtweg selbstmörderisch gehalten, weil sie seinen geistigen Höhenflügen einfach nicht folgen konnten.
Später bekam man so etwas unter Kontrolle – entweder man bekam es unter Kontrolle, oder man fand dafür Ventile wie beispielsweise Kinky Briefcase oder Buford Kissdrivel. Das hatte Richie in jenen Monaten entdeckt, nachdem er aus einer Laune heraus in den Rundfunksender seines Colleges geschlendert war und dort schon nach seiner ersten Woche am Mikrofon alles gefunden hatte, was er sich jemals gewünscht hatte. Er war anfangs nicht sehr gut gewesen; er war viel zu aufgeregt gewesen, um gut zu sein. Aber er hatte begriffen, dass er die Möglichkeit hatte, in diesem Beruf nicht nur gut, sondern hervorragend zu sein, und allein schon diese innere Gewissheit hatte ihn in Euphorie versetzt. Gleichzeitig hatte er auch begonnen, jenes wichtige Prinzip zu begreifen, das die Welt regiert – zumindest soweit es um Karriere und Erfolg geht: Man musste den verrückten Kerl in seinem eigenen Innern finden, der einem das Leben schwer machte. Man musste ihn in die Ecke treiben und packen. Aber man durfte ihn nicht umbringen, o nein. Für kleine Bastarde dieser Art wäre der Tod viel zu gut gewesen. Man musste ihm ein Geschirr anlegen und dann anfangen zu pflügen. Der verrückte Kerl legte sich mächtig ins Zeug, sobald man ihn erst in die Spur gebracht hatte. Und er hielt einen bei Laune, amüsierte einen. Das war eigentlich auch schon das ganze Erfolgsrezept. Und das genügte vollständig.
Er war komisch gewesen, zugegeben, ein Lacher pro Minute, aber zuletzt hatte er die Albträume überwunden, jene dunkle Schattenseite seines vielen Lachens. Zumindest hatte er das geglaubt. Bis heute, als das Wort erwachsen plötzlich seinen Sinn für ihn verloren hatte. Und jetzt gab es noch etwas anderes, womit er sich auseinandersetzen musste – mit dieser riesigen, idiotischen Statue von Paul Bunyan vor dem City Center.
Ich war die Ausnahme, die die Regel bestätigt, Big Bill.
Bist du dir sicher, dass da nichts war? Überhaupt nichts?
Beim City Center … dachte ich …
Zum zweiten Mal an diesem Tag verspürte er plötzlich einen scharfen Schmerz in den Augen, und er riss mit leisem Stöhnen die Hände hoch … und gleich darauf war der Schmerz schon wieder vorbei. Aber er hatte auch etwas gerochen, oder nicht? Etwas, was eigentlich gar nicht da war, aber trotzdem da gewesen war, etwas, was ihn an
(Ich bin hier bei dir Richie nimm meine Hand kannst du dich festhalten)
Mike Hanlon denken ließ. Es war Rauch, der in seinen Augen brannte, bis sie tränten. Siebenundzwanzig Jahre früher hatten sie diesen Rauch eingeatmet; zuletzt waren nur noch Mike und er übrig geblieben, und sie hatten gesehen …
Aber es war wieder weg.
Er ging einen Schritt näher zu der Plastikstatue von Paul Bunyan, deren billige Vulgarität ihn jetzt ebenso überwältigte wie als Kind ihre Größe. Der legendäre Paul hatte die stattliche Größe von sechs Metern, und der Sockel hob ihn noch einmal um zwei weitere Meter empor. Er stand da und lächelte von seinem Platz vor dem City Center, das in den Jahren 1954/55 für ein später nie zustande gekommenes Jugend-Basketballteam errichtet worden war, auf die Fußgänger und Autofahrer auf der Outer Canal Street hinab. Der Stadtrat von Derry hatte 1956, ein Jahr später, Gelder für die Statue bewilligt. Sie war damals heiß umstritten gewesen, sowohl in den Versammlungen des Stadtrats als auch in den Leserbriefen an die Derry News. Manche hielten es für eine großartige Idee. Viele glaubten, sie könne zu einer Touristenattraktion werden. Andere aber hielten die Idee einer Plastikstatue
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