Es: Roman
Späße.«
Sie lachte wieder. Einige ihrer Zähne waren so schwarz geworden wie ihr Kleid. Die Falten in ihrem Gesicht waren jetzt sehr tief. Ihr rosiger Teint hatte sich in krankhaftes Gelb verwandelt. Die Finger waren Klauen. Sie grinste Beverly an. »Essen Sie doch etwas, meine Liebe.« Ihre Stimme war um eine halbe Oktave höher geworden, schlug in dieser Tonlage aber dauernd um und klang jetzt wie eine knarrende Grufttür.
»Nein, danke«, hörte Beverly sich mit kindlich hoher Stimme sagen. Die Wörter schienen nicht ihrem Gehirn zu entspringen, sondern ihrem Mund, und mussten von dort erst den Weg bis zu ihren Ohren zurücklegen, bevor sie wahrnahm, was sie gesagt hatte.
»Nein?«, fragte die Hexe und grinste wieder. Ihre Klauen kratzten über die Platte, und sie begann mit beiden Händen dünne Kekse und schmale Kuchenstücke mit Zuckerguss in ihren Mund zu stopfen. Ihre schrecklichen Zähne mahlten knirschend; ihre langen, schmutzigen Nägel gruben sich in die Kuchen; Krümel fielen auf ihr vorstehendes, knochiges Kinn. Ihr Atem war abstoßend. Es roch nach Totem, nach Verwestem. Ihr Kichern war ein tonloses Gackern. Ihr Haar wurde immer dünner; schuppige Kopfhaut schimmerte stellenweise hindurch.
»O ja, er liebte Späße, mein Vadder«, sagte sie. »Lieben Sie Späße und Witze, Miss? Hier ist einer: Mein Vadder hat mich geboren, nicht meine Mutter. Er hat mich aus seinem Arschloch geschissen. Ha! Ha! Ha!«
»Ich muss jetzt gehen«, hörte Beverly sich wieder mit dieser ängstlichen Kinderstimme sagen – der Stimme eines kleinen Mädchens, das auf seiner ersten Party boshaft gekränkt worden ist. Ihre Knie waren weich. Sie war sich vage bewusst, dass in ihrer Tasse kein Tee war, sondern Scheiße, flüssige Scheiße, eine kleine Überraschung aus den Abwasserkanälen unter der Stadt. Und sie hatte davon getrunken, nicht viel, aber einen Schluck; o Gott, o Gott, o Jesus, bitte, bitte …
Die Frau schrumpfte vor ihren Augen zusammen, wurde immer magerer; ihr Gesicht glich einem verschrumpelten Apfel, und sie kicherte mit hoher kreischender Stimme und wiegte sich auf ihrem Stuhl hin und her.
»Oh, mein Vadder und ich sind eins«, sagte sie. »Ich und er, er und ich, und – meine Liebe – wenn Sie klug sind, so sollten Sie wegrennen, schleunigst dorthin zurückkehren, woher Sie gekommen sind, Sie sollten sich wirklich sehr beeilen, denn wenn Sie hierbleiben, wird Ihnen Schlimmeres widerfahren als nur der Tod. Niemand, der in Derry stirbt, stirbt wirklich, müssen Sie wissen. Früher wussten Sie das. Jetzt sollten Sie klug sein und es einfach glauben. «
Im Zeitlupentempo kam Beverly auf die Beine. Sie bemerkte, dass der hübsche kleine runde Tisch nicht aus dunklem Eichenholz, sondern aus Lebkuchen gefertigt war. Und während sie noch fassungslos darauf starrte, brach die Hexe, immer noch kichernd, mit ihren gelben, schielenden Augen in eine Zimmerecke stierend, ein Stück vom Tisch ab und stopfte es sich in die schwarze Mundhöhle.
Beverly sah, dass die Tassen aus weißer Rinde waren, kunstvoll verziert mit blauem Zuckerguss. Die Bilder von Jesus und Kennedy an den Wänden im Nähzimmer waren aus fast durchsichtigem Zuckerwerk, und während sie hinschaute, streckte Jesus ihr die Zunge heraus, und Kennedy zeigte ihr den Mittelfinger.
»Wir alle warten auf dich!«, schrie die Hexe, und ihre Fingernägel kratzten über die Oberfläche des Lebkuchentisches und hinterließen tiefe Rillen. »O ja! O ja!«
Die Deckenlampen waren große Kugeln aus hartem Kandis. Die Wandverkleidung bestand aus Karamellbonbons. Beverly schaute hinab und sah, dass ihre Schuhe auf dem Boden tiefe Spuren hinterließen – er war nicht aus Holz, sondern aus langen, schmalen Schokoladenstücken. Der Geruch nach Süßigkeiten war ekelhaft.
O mein Gott, es ist die Hexe aus Hänsel und Gretel, vor der ich immer am meisten Angst hatte, weil sie die Kinder auffraß …
»Du und deine Freunde!«, schrie die Hexe lachend. »In den Käfig mit euch! In den Käfig, bis der Ofen heiß ist!« Sie kreischte vor Lachen, und Beverly rannte auf die Tür zu, aber sie rannte im Zeitlupentempo. Das Gelächter der Hexe schwirrte dröhnend um ihren Kopf wie eine Schar von Fledermäusen. Beverly schrie. Der Flur stank nach Zucker und Nugat und Karamell und künstlichen Erdbeeren. Der Türknopf – eine Kristallimitation, als sie hereingekommen war – war jetzt eine monströse Zuckerkugel.
Ich mache mir Sorgen um dich, Bevvie … ich mache mir
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