Esel
lang mit Eseln gesprochen, die mir zumindest
theoretisch
auch hätten antworten können. Mit Friedhelm werde ich jetzt nicht –
Der Esel scheint zu ahnen, was ich denke, und kommt einen Schritt näher. Zwei Meter trennen uns noch, und ich glaube bereits, seinen Atem riechen zu können, oder kommt der faulige Geruch von diesem abgesägten Baumstamm, auf dem mein übertrieben großer Rucksack lagert? Friedhelm hebt einen seiner Vorderläufe und hält ihn in der Luft wie ein Karatekämpfer. Provoziert er mich jetzt? Ist das schon dieses typisch Eselige? Ich weiß nicht, was wirklich eselig ist. Ich kenne alle Klischees, aber ich habe nie versucht zu ergründen, was hinter diesen Klischees steckt. Esel waren mir bislang so egal wie meine Karriere.
»Keinen Schritt näher!«
Ich spreche lieber doch mit ihm. Es macht keinen Sinn, jetzt den Prinzipienreiter zu spielen. Und es hilft, wenigstens kommt er mir nicht näher.
»Brav. Braver Esel.«
Friedhelm senkt seinen Vorderlauf, was ihn sofort friedlicher erscheinen lässt.
Und jetzt, wie soll das jetzt weitergehen, wo Friedhelm davon ausgehen muss, dass ich ihn als Gesprächspartner akzeptiert habe? Was leitet er daraus ab? Können Esel überhaupt irgendwas ableiten? Ich weiß es nicht. Ja, meine Eselkenntnisse sind mangelhaft, aber wie hätte ich wissen können, dass ich eines Tages diesem … diesem Friedhelm gegenüberstehen würde, mitten in der Uckermark, die, wie mir spätestens jetzt klar wird, aus drei Dingen besteht – Landschaft, Landschaft und Landschaft. Was durchaus Vorteile hat. Denn während es in meinem Klassenraum ständig Zeugen meiner latenten Verzweiflung gibt, sind Friedhelm und ich hier allein. Wenigstens das.
Niemals hätte ich damit gerechnet, dass ich hinter einem Wassergraben, der eine Reihe alter Kopfplatanen zu bewässern hat und einem fetten Biber Heim und Wohnstatt bietet, dass ich in dieser einsamen Naturidylle mit einem Esel stehe, der sich nun keinen Zentimeter mehr bewegt und mich immer noch anstarrt, als gäbe es nichts Schöneres auf dieser Welt.
Eigentlich müsste ich jetzt ganz woanders sein, weit weg von Bibern, Kopfplatanen und Friedhelm. An der freien Tankstelle in Rosenheim, die den Liter Diesel sechs Cent billiger anbietet als die Tankstelle auf der Autobahn Richtung Salzburg und dabei nur lächerliche drei Kilometer hinter der Abfahrt liegt. Sechs Cent, ich habe es gestern noch im Internet recherchiert, so wie ich es seit Jahren tue, wenn wir in den Süden fahren. Nur den Preis für eine Tasse Kaffee habe ich nicht recherchieren können, was nicht so schlimm ist, denn mit dem, was ich beim Tanken spare, kann ich mir jeden Kaffee leisten. Doch dazu kommt es ja nun nicht. Hier werde ich mir nichts leisten können, weil es noch nicht mal eine freie Tankstelle gibt, mal ganz abgesehen davon, dass ich auch keinen Diesel brauche. Friedhelm steht auf Wasser, und das gibt es hier umsonst. Überall. Neben der reinen Landschaft gibt es in der Uckermark auch viel Wasser, Wasser, Wasser.
Warum hat Karin das getan? Ich verstehe es immer noch nicht. Es hat doch alles wie immer angefangen …
2. Karin, bitte!
Wie in jedem Jahr hatte ich den Volvo schon eine Woche vor dem Beginn der Sommerferien ausgeräumt, gesaugt und gewachst, damit die Mücken, Fliegen und sonstigen Insekten keine Chancen hatten, sich dauerhaft auf dem tiefgrünen Lack des alten Schweden zu verewigen. Meine Laune stieg mit jedem Tag, mit dem sich die Ferien näherten. Während meine Kollegen und Kolleginnen immer erschöpfter zu sein schienen, um dem Anspruch auf die schulfreie Zeit auch äußerlich gerecht zu werden, blühte ich auf.
Meiner Frau ging es ähnlich – dachte ich. Karin blühte auch auf, aber die Gründe ihres Aufblühens hatten nur am Rande mit mir und den sechs freien Wochen zu tun, die vor uns lagen.
Karin erwartete mich in der Küche, und die Art, wie sie mich anlächelte, hätte mich skeptisch machen müssen. Oder sensibel. Oder beides. Stattdessen war ich zu sehr damit beschäftigt, die Ersatzschläuche in die Fahrradtaschen zu packen, die genau einmal im Jahr zum Einsatz kamen.
»Ich hab’ noch vier Schläuche gekauft. Diesem Typen in Lucca schmeiß’ ich das Geld nicht mehr in den Rachen.«
Karin schwieg.
»Acht Euro für einen Schlauch, unverschämt. Würde mich nicht wundern, wenn der persönlich die Glasscherben auf die Via Arena schmeißt, damit sich unsereins die Reifen ruiniert.«
Karin schwieg weiter.
»Also für die
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