Elfenlicht
DIE LETZTE GRENZE
In dieser Nacht noch sollten die Trolle kommen, so hieß es. Der Schwertmeister der Elfenkönigin beugte sich tief über die Mähne seines Hengstes und trieb ihn unbarmherzig voran. Es waren noch viele Meilen zur Burg.
Nichts hatte die Trolle in ihrem grausamen Wüten aufhalten können, seit sie nach Albenmark zurückgekehrt waren. Drei blutige Siege hatten diese grobschlächtigen Ungeheuer errungen, und Branbart, ihr König, hatte geschworen, Emerelle, die Herrscherin Albenmarks, zu erschlagen und aus ihrem Schädel eine Metschale für seine Festtafel fertigen zu lassen.
Verzweifelt hing der Elf seinen Gedanken nach. Alle hatten Emerelle verlassen. Und die Königin hatte gewusst, dass es so kommen würde. Die Herrschaft der Elfen würde in dieser Nacht enden. Doch wenigstens er würde an ihrer Seite sein! Dort, wo immer schon sein Platz gewesen war, wenn es galt, mit dem Schwerte für Albenmark einzutreten. Hoffentlich kam er nicht zu spät!
Ollowain blickte auf. Der Weg senkte sich in ein weites Tal und folgte dem silbern gesprenkelten Band eines Baches. Düstere Kopfweiden säumten das Ufer; wie große Perlen schimmerten die weißen Knospen auf den pfeilgeraden, jungenÄsten im Mondlicht.
Der Mond stand wie ein riesiger Schild aus gehämmertem Silber am Himmel. Sein Licht verlieh der lauen Nacht einen unheimlichen Zauber. Eine leichte Brise strich über den Hang und trieb dem Elfenritter Blütenblätter ins Gesicht. Er blinzelte und trieb den Hengst weiter an, seinem Ziel entgegen. Inmitten des weiten Tals erhob sich die Burg der Königin. Ihre schlanken Türme schienen fast bis zum Mond hinaufzureichen, in dessen Schein die weißen Mauern silbern leuchteten. Der dunkle Fels, auf dem die Burg sich erhob, verschwamm mit dem samtigen Blau der Nacht, sodass es schien, als schwebe die Festung in der Finsternis. Jahrhunderte hatte das Volk der Elfen an dieser Burg gebaut. Trotz ihrer Türme und Mauern hatte niemand geglaubt, dass sie jemals angegriffen würde, und sie war auch nicht errichtet worden, um einem Feind die Herrschaft über das Herzland abzutrotzen. Sie sollte ein Sinnbild der Vollkommenheit sein.
Obwohl Ollowain die Burg schon hunderte Male gesehen hatte, berührte ihr Anblick ihn stets aufs Neue. Es war ein Gefühl, wie es sonst nur Musik in ihm erwecken konnte, das traurige Lied einer Flöte vielleicht oder melancholisches Harfenspiel. Ein Schmerz, der sich nicht in Worte fassen ließ, süß und durchdringend.
Kein Horn kündete von seiner Ankunft, und die Öllampen, die gewöhnlich den Weg hinauf zum Burgtor in goldenes Licht tauchten, waren verloschen. Der hohle Hufklang unter dem Torbogen war der einzige Willkommensgruß, der den Schwertmeister empfing, als er in die Burg einritt.
Die Wachen waren verschwunden. Ihre Speere lehnten entlang der Mauer, so als seien die Krieger eben erst gegangen. Auf einem Sims stand ein Falrach-Tisch. Die Partie war vor dem Ende abgebrochen worden. Doch ein einziger Blick genügte, um zu erkennen, dass Schwarz auf verlorenem Posten stand. Die Königin war eingekreist in ihrer Burg, ihre Krieger standen auf dem ganzen Spielfeld verstreut.
Ollowain trieb den Hengst über den weiten Hof und dann den Marmoraufgang hinauf. Der Schwertmeister glaubte förmlich spüren zu können, wie sich das Unheil über der Burg zusammenzog. Er preschte einen Säulengang entlang. Die schweren, eisenbeschlagenen Hufe seines Schlachtrosses ließen Steinchen aus den kostbaren Bodenmosaiken splittern. Er musste Emerelle finden. Sie hatte die Burg nicht verlassen, da war er sich ganz sicher.
Das schwere Bronzetor am Ende des Ganges, das sich sonst stets wie von Geisterhand geöffnet hatte, blieb verschlossen. Es war so groß, dass nicht einmal ein Riese sein Haupt hätte neigen müssen, wollte er in die Halle dahinter treten. Fein ziselierte Bilder zeigten, wie die Alben den Letztgeborenen, den Elfen, ihre Welt anvertrauten, bevor sie für immer verschwanden. Es war eine Mahnung an alle, die den Weg zum Thronsaal beschritten. Jeder sollte sehen, wem es bestimmt war, in Albenmark zu herrschen. Doch die Trolle würden sich einen Dreck darum scheren.
Ollowain sprang aus dem Sattel. Ein Stoß genügte, um einen der Torflügel aufschwingen zu lassen. Er schlug gegen die Wand, und dumpfes Dröhnen wie ein Gongschlag schallte durch die verlassene Burg.
Der Hengst des Schwertmeisters wieherte ängstlich. Mit tänzelnden Schritten wich er vor der Schwelle der Halle
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