Esper in Aktion
Augen verliert. Soviel ich weiß, hat Becky Schofield irgendwo in London eine Schwester. Wenn Ihnen wirklich soviel daran liegt, mit ihr zu sprechen …«
»Bei Mrs. Waterman war ich bereits«, unterbrach ihn Glover. »Sie hat seit Monaten nichts mehr von ihrer Schwester gehört.«
»Hm – dann kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen. Aber glauben Sie mir, es wäre ohnehin Zeitverschwendung.« Wieder sah Havenlake auf die Uhr. »Meine Frau wartet sicher schon auf mich. Ich muß jetzt leider gehen.« Er stand auf. »Schade, daß ich Ihnen die Illusionen nehmen mußte, Glover – aber so ist nun mal das Leben. Falls Sie doch noch Ihren Artikel schreiben, können Sie mir ja das Manuskript zur Ansicht schicken. Guten Abend!«
Glover blieb am Tisch sitzen und sah dem breitschultrigen Wissenschaftler nach. Was Havenlake gesagt hatte, klang vernünftig, und doch gab er sich damit nicht zufrieden. Irgendwie spürte er, daß der Mann ihm etwas verschwiegen hatte. Er nahm sein leeres Glas in die Hand und schlenderte an die Bar.
An der Theke drängten sich bereits die ersten Abendkunden, aber die blonde Bardame gab ihm offensichtlich den Vorzug.
»Ist Ihr Freund wieder gegangen?« fragte sie und reichte ihm einen frischen Drink.
Er beugte sich über die Theke. »Wann machst du hier Schluß?«
»Ich?«
»Ja. Ich habe noch einiges zu erledigen, aber vielleicht könnte ich dich abholen, wenn du aufhörst. Ich kenne ein paar interessante Plätzchen.«
»Wirklich?« Sie achtete nicht auf die anderen Kunden, die ungeduldig an ihre Gläser klopften.
»Ein kleiner Klub – ich lade dich zum Abendessen ein.«
»Klingt nicht schlecht.« Sie strahlte ihn an.
»Abgemacht?« Das Gläserklopfen verstärkte sich.
»Abgemacht. Ich bin hier nach elf fertig.«
»Schön.«
»Bis später also. Die Gäste warten.«
Er sah ihr anerkennend nach, als sie mit wiegenden Hüften auf die ungeduldigen Kunden zuging. Sie hatte eine arrogante Miene aufgesetzt. Nun, das konnte eine reizvolle Nacht werden. Er trank rasch sein Glas leer und ging.
Als er es sich im Fond des Taxis bequem gemacht hatte, wanderten seine Gedanken wieder zu dem Interview mit Havenlake. Von einer Routine-Story konnte nicht mehr die Rede sein. Sein persönlicher Ehrgeiz war geweckt. Er hatte sich fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ein Satz, den er vor Jahren geprägt und der ihm seither meist zum Erfolg verholfen hatte, kam ihm in den Sinn: Versuch es durch die Hintertür! Wenn er auf normalem Wege nicht zu einer gewünschten Information gelangen konnte, genügte im allgemeinen etwas Beharrlichkeit, um irgendwo doch noch einen Durchschlupf zu entdecken.
Er tastete nach dem postkartengroßen Foto in seiner linken Jackentasche. Wenn sein Kontaktmann in Cambridge sich nicht getäuscht hatte, dann gab es eine weit offene Hintertür zu Richard Havenlake.
Glover betrachtete die Aufnahme mit Kennermiene. Nicht gerade phantasievoll, und die Beleuchtung war ziemlich mies. Das Gesicht der Frau konnte man deutlich erkennen, aber die Verschwommenheit wesentlicher anderer Details war unverzeihlich. So viele Amateure begriffen einfach nicht, daß die Qualität der Ausrüstung eine wichtige Rolle spielte. Die Kameras in seinem eigenen Schlafzimmer hatten ohne Selbstauslöser und Zeitschaltuhr gute tausend Pfund gekostet.
Ein angenehmes Kribbeln stieg in ihm hoch, als er das Foto wieder in die Tasche schob.
2
Richard Havenlake benutzte für seine Fahrten zwischen Radlett und London den Wagen, weil er sich nicht gern zwischen die steifen, regenschirm- und melonebewehrten Bürotypen der Vorortzüge zwängte. Am Steuer hatte er zumindest das Gefühl, selbst etwas zu tun und nicht wie ein Stück Frachtgut von Punkt A nach Punkt B geschoben zu werden. Als er jedoch an diesem Abend durch die Edgware Road mit ihrem Gewirr von Ampeln, Blinklichtern und Warnschildern schlich, überlegte er, ob dieser Individualismus nicht etwas zu teuer erkauft war.
Viktor unterbrach seine Gedankengänge. Du bist dir doch im klaren darüber, daß Glover ein außergewöhnlich hohes Psi-Potential besitzt?
Havenlakes Antwort fiel gereizt aus. Du liebe Güte! Ich habe mich mit dem Mann doch nur unterhalten. Er ist völlig unwichtig!
Weshalb stößt er dich dann so ab?
Darüber war ich mir bis jetzt noch nicht im klaren – aber du hast recht. Ich kann ihn nicht ausstehen. Er ist so verdammt ölig.
Nur das? Gib doch zu, daß er dir Unbehagen einflößt!
Unbehagen? Wie kommst du
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