Zwischen Liebe und Intrige
Prolog
"Entschuldigung,
dürfte ich wohl vorbei?" Sadie Roberts verzog das Gesicht,
als ihre Bitte ignoriert wurde. Mühsam versuchte sie, sich an
einigen Männern vorbeizudrängen, die alle ehrfürchtig
den Worten eines anderen Mannes lauschten. Was für ein Mann,
dachte Sadie bewundernd und fühlte sich spontan, wenn auch
ungewollt, zu dem Fremden hingezogen. Seine kraftvolle männliche
Ausstrahlung wirkte geradezu unwiderstehlich auf sie.
Er
war gut einen Kopf größer als der ältere Mann an
seiner Seite. Seine Stimme war klar und tief, aber so sinnlich, dass
Sadie allein vom Zuhören eine Gänsehaut bekam.
Sie
steckte in der Menschenmenge fest, die sich durch die schmale Gasse
vom einen Ende der Messe zum anderen schob, und geriet auf ihren
ungewohnt hohen Absätzen gefährlich ins Schwanken. Die
Schuhe, ebenso wie das auffällige Make-up, waren die Idee ihres
Cousins Raoul gewesen. Unfreiwillig rückte Sadie immer näher
an den arroganten Fremden heran. So nahe, dass sie ihn mit der
ausgestreckten Hand hätte berühren können. Nicht, dass
sie das wollte … oder doch? Erschrocken verwarf sie die
verwegene Idee.
Der
Mann, auf den sie so unerwartet stark reagierte, hatte die Hand
erhoben, um auf seine Armbanduhr zu sehen. Eine schlanke, gebräunte
Hand, sorgfältig manikürt und doch ausgesprochen männlich.
Die Hand eines Mannes, der zupacken konnte, seinem Anzug nach zu
urteilen aber sehr wohl in der Lage war, einen Scheck auszustellen,
um andere für sich arbeiten zu lassen.
O
ja, dachte Sadie, Schecks ausstellen kann er sicher gut. Er strahlte
eine gewisse Arroganz aus, die Arroganz eines reichen Mannes.
Arrogant war auch die Art, wie er Sadie von Kopf bis Fuß
musterte. Provozierend langsam ließ er den Blick über sie
gleiten, was sinnlich wirkte – und abschätzig zugleich.
Ein
Stoß aus der Menge beförderte Sadie beinahe direkt in
seine Arme. Sie glaubte schon, seinen Körper an ihrem zu fühlen,
merkte, wie ihr heiß wurde, wie ihr der Atem stockte …
Was war nur los mit ihr? Warum war sie so nervös, so unruhig? So
besessen von dem Gedanken, dass sich unter dem Anzug aus feinstem
Mohair, den er trug, ein aufregender Männerkörper verbarg?
Ein muskulöser, sehniger …
Entschlossen
verbannte sie das Bild aus ihrem Kopf. Sobald das Gedränge
nachließ, nutzte sie die Gelegenheit, um sich zu entfernen. Mit
erhitzten Wangen machte sie sich auf die Suche nach ihrem Cousin
Raoul.
"Komm
her, Sadie, und gönn den Jungs eine Kostprobe von unserem Duft."
Mit
versteinerter Miene drehte sich Sadie zu ihrem Cousin und Kodirektor
um. Sie war immer noch wütend auf Raoul, weil er sie am Morgen
überredet hatte, den neuesten Duft des Hauses aufzulegen. Dieses
Parfüm hatte Raouls Vater kreiert, während er kurzfristig
den kleinen Familienbetrieb geleitet hatte. Noch wütender war
sie auf sich selbst und ihre Gutgläubigkeit. Sie hätte
ihrem Gefühl vertrauen und sich Raoul widersetzen sollen, gleich
als sie den aufdringlichen Duft gerochen hatte! Stattdessen war sie
in einem Anfall von Sentimentalität bereit gewesen, alles zu
tun, um den Bruch zwischen ihnen zu kitten.
Sie
hatte geglaubt, sie würde Raoul lediglich zur Messe begleiten,
doch er hatte etwas anderes im Sinn gehabt. Ihre Kleidung, ihr
Make-up, die aufgestylte Frisur, zu der er sie gedrängt hatte,
waren schlimm genug und einfach nicht ihr Stil, aber im Interesse des
Familienfriedens hatte sie sich widerstrebend darauf eingelassen. Wie
sehr wünschte sie jetzt, sie hätte es nicht getan!
Während
der letzten endlosen Stunden musste sie unzählige lüsterne
Blicke, anzügliche Bemerkungen und unwillkommene
Annäherungsversuche über sich ergehen lassen. Raoul hatte
die männlichen Kunden ermutigt, an ihr zu schnuppern, um das
neue Parfüm zu testen.
Sadie
verabscheute diesen Duft. Er verkörperte alles, was sie an
modernen Parfüms so hasste – er hatte keinen Charakter,
keine Feinheit, keine Tiefe. Er war dünn und kalt, wo er
sinnlich, warm und betörend wie edle Schokolade oder eine zarte
Liebkosung hätte sein sollen. Außerdem hatte dieses Parfüm
eine aufdringlich erotische Note, die Sadie so abstoßend fand,
dass ihr übel war von dem Geruch.
"Mir
reicht es jetzt. Ich fahre auf der Stelle ins Hotel zurück",
sagte sie zornig zu ihrem Cousin, während sie einen
rotgesichtigen, beleibten Kunden abwehrte, der die Nase an ihren Hals
steckte.
"Was
hast du denn?" fragte Raoul scheinheilig.
"Was
ich habe?" Sadie atmete tief
Weitere Kostenlose Bücher