Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war
modrige Wohnungseinrichtung von jemandem hervor – zerbrochene Bilderrahmen, zerfledderte Bücher, eine Matratze. Ich ging weiter, indem ich einen Fuß vor den anderen setzte, und lauschte auf Calebs mühsame Atemzüge.
In einem Moment, als uns die Erschöpfung zu überwältigen drohte, sah ich nach oben. Dort, auf der anderen Seite der Brücke, hoch oben auf einem Berg, stand eine Steinsäule mit einer Laterne auf der Spitze. Es war dasselbe Signal, das ich in jener Nacht im Wald gesehen hatte, als ich vor Fletcher davongerannt war. Ich hörte Marjories Stimme: »Wenn das Licht brennt, können sie euch aufnehmen.«
Wir hatten das Ende des Pfads erreicht.
»Nur noch ein kleines Stück«, versprach ich und half Caleb über ein umgestürztes Motorrad. »Mach dir keine Sorgen.« Ich drückte ihn an mich, um ihn aus seinen Gedanken zu reißen. »Denk einfach dran, dass wir bald da sein werden. Dort kannst du dich hinlegen. Es wird etwas zu essen geben. Wir werden kandierte Kartoffeln und Kaninchenfleisch und wilde Beeren essen, und wenn du eine Nacht geschlafen hast, wird es dir besser gehen.«
Caleb zog sein zerrissenes T-Shirt um sich und kämpfte gegen den Wind. Er nickte, doch in seinen Augen lag noch immer Traurigkeit. Ob ihm dieselben düsteren Gedanken durch den Kopf gingen wie mir?
Die Brücke mündete in einen dichten Wald. Wir kletterten einen holprigen Pfad hinauf, der unterhalb der Stelle, an der die Laterne durch die niedrigen Bäume leuchtete, in den Hügel geschlagen worden war. Ein hohes Holztor versperrte uns den Weg. Als wir näher kamen, trat eine Gestalt heraus und zielte mit einem Gewehr auf unsere Oberkörper.
»Wer seid ihr? Was wollt ihr?«, rief eine junge Frau. Sie war bloß ein paar Jahre älter als ich, ihr blondes Haar war zusammengebunden. Sie trug ein weites grünes schlammbeflecktes Kleid und hohe schwarze Stiefel.
»Wir wollen nach Califia«, antwortete ich. Ich hielt die Hände hoch, um ihr zu zeigen, dass ich unbewaffnet war. »Wir sind Waisen – Entflohene. Wir sind weit gefahren, um hierherzukommen. Wir brauchen Hilfe.«
Das Mädchen betrachtete Calebs Bein, das mit einem blutgetränkten Stofflappen umwickelt war. Sie musterte seine dicken braunen Dreadlocks, das zerfetzte T-Shirt und die Hose, in die rings um die Wunde ein Loch geschnitten war. »Gehört ihr zusammen?«, wollte sie wissen und sah von einem zum anderen.
Hinter ihr tauchte eine ältere Frau auf. »Er kann hier nicht rein«, unterbrach sie uns und schüttelte den Kopf. Sie hatte dunklere Haut und dichtes schwarzes Haar, das auf ihrem Kopf eine Kuppel bildete. Eine Hand ließ sie auf der Waffe an ihrem Gürtel.
»Wie meinst du das?«, fragte ich. Caleb wich bereits zurück und nahm die Hand von meiner Schulter.
Das blonde Mädchen deutete auf Caleb. »Solche wie ihn lassen wir hier nicht rein.«
»Solche wie ihn?«, fragte ich und zog Caleb zu mir. »Aber er ist verletzt. Er kann nicht hier draußen bleiben. Bitte.«
Das Gesicht des Mädchens zeigte keinerlei Regung. »Es ist nicht erlaubt. Tut mir leid.« Sie behielt ihr Gewehr im Anschlag und beobachtete uns über den Lauf hinweg.
Ich hielt sein Hemd fest, doch er legte seine Hand auf meine und löste meine Finger, bis ich nichts mehr in den Händen hielt. »Schon in Ordnung«, sagte er. »Du gehst rein. Du musst reingehen. Ich komm schon klar.«
»Du kommst nicht klar!«, schrie ich, Tränen brannten mir in den Augen. »Du musst mit hineinkommen. Bitte«, bettelte ich noch einmal und sah auf sein blutverschmiertes Bein, den schmutzstarrenden Verband. Das Mädchen mit dem Gewehr schüttelte bloß den Kopf.
»Ich wusste, dass es so kommen würde«, sagte Caleb. »Califia war immer nur für Frauen. Bitte, Eve, geh einfach rein.«
In diesem Moment wurde mir klar, dass wir nie darüber geredet hatten, was passieren würde, wenn wir Califia erreichten. Er hatte immer genickt und abwesend gelächelt, wenn ich es erwähnte. Er würde mich hinbringen, aber er hatte nie vorgehabt hierzubleiben. Es war nur ein weit entfernter Ort für uns, niemals ein Leben, das wir leben würden.
»Hier bist du in Sicherheit.« Mit neuer Kraft wich er zurück, und als er den Hügel hinunterstieg, hielt er sich an den Baumzweigen fest. Der Abstand zwischen uns wurde immer größer, mit stetigem Schritt trennte Caleb uns voneinander.
Ich rannte ihm hinterher, schlang die Arme um ihn und stellte mich breitbeinig auf die Erde, um ihn zurückzuhalten. »Wir können woanders
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