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Evolution der Leere: Roman

Evolution der Leere: Roman

Titel: Evolution der Leere: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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vorn ergreifen. Also mach's, zeig ihnen, wie ihr Traum von der Leere ganz schrecklich in die Hose geht, dass sie im Begriff sind, ihre Kinder zu Bedeutungslosigkeit und Untergang zu verurteilen. Wie sagt ihr Typen dauernd? Manchmal muss man das Falsche tun, um das Richtige zu tun? Es wird deine ganzen loyalen Anhänger umhauen. Vielleicht schnallen sie's, vielleicht nicht. Wen kümmert's, Mann? Du kriegst sie sowieso nie und nimmer alle wieder auf deine Seite. Zumindest versaust du Ethan und Ilanthe damit so richtig den Tag. Und mit ein bisschen Glück entfachst du in der Flotte sogar eine Meuterei.«
    »Genau«, sagte Corrie-Lyn, plötzlich wieder voller Leben. »Sie verdienen es, Bescheid zu wissen. Sie haben so lange gewartet, wieder von dir zu erfahren. Gib ihnen ihre wahre Hoffnung zurück. Es ist das, was Edeard gewollt hätte.«
    »Ja.« Inigo stand auf. Seine Gaiamotes öffneten sich, und der Träumer brachte noch einmal seine Gedanken dar. Alle.
    Wäre Tyzak ein Mensch gewesen, dann wären er und der Delivery Man, als sie die verlassene Stadt am Ende des Tals erreichten, die dicksten Freunde gewesen.
    Zwei Tage lang Seite an Seite durchs Gelände zu marschieren verband. Die sorgsam gepflegten Felder und Weiden um das Dorf herum waren nach den ersten drei Stunden wildem Grasland gewichen, auf dem nur hier und dort einmal ein paar wenige Tiere ästen. Das Grasäquivalent wuchs dicht und hoch und schuf mit seinen ineinander verhedderten Ringelhalmen einen Teppich aus Fallstricken, der das Vorankommen erheblich erschwerte. Hartnäckige, menschenkniehohe Pflanzen wucherten allüberall, ihre dornigen Blätter enthielten ein leichtes Toxin, weshalb sich Tyzak geflissentlich von ihnen fern hielt. Daher führte ihr Weg sie weit seltener geradeaus, als der Delivery Man es sich gewünscht hätte. Doch er machte das Beste daraus, sprich: Er versuchte tapfer Schritt zu halten und erzählte Tyzak von seinem Leben, von seiner Familie.
    »Es klingt so, als würde dein Volk sich in gleicher Weise auseinanderentwickeln, wie unsere Vorfahren es taten«, sagte der alte Anomine.
    »Unsere Geschichte zeigt Parallelen zu eurer, ja. Aber nach dem, was wir über euch wissen, seid ihr einander lange nicht so feindselig gegenüber eingestellt gewesen. Das ist bewundernswert. Ich wollte, wir würden ebenso danach trachten.«
    »Es gibt Geschichten, die von einem Konflikt zwischen unseren Vorfahren berichten. Einige glauben, dass sie ihre Kraft verloren haben, weil sie mit widerwilliger Stimme erzählt worden sind. Aber es wäre in der Tat merkwürdig, wenn unsere Vergangenheit völlig ohne Zwietracht wäre.«
    »Auch das ist eine Gemeinsamkeit. So viele von uns sprechen von den Tagen von vor tausend Jahren als der guten alten Zeit. Doch die, welche diese Zeit wirklich erlebt haben, behaupten, dass die Jahre zwischen dem Gestern und Heute stets die Wirklichkeit verzerren.«
    »Wer lässt schon gern etwas auf seine Vorfahren kommen? Sie haben uns zu dem gemacht, was wir sind.«
    In mindestens ebensolchem Maße wie die Stechpflanzen sorgten die Bäche und Flüsschen für lästige Umwege. Tyzak wog um einiges mehr als ein Mensch. Er musste sich vor dem Morast in Acht nehmen; nicht wenige unachtsame Reisende waren schon, so erklärte er, in tückische Sumpfstellen geraten, während sie an einem plätschernden Rinnsal entlanggestreift waren und eine steinige Furt zum Überqueren gesucht hatten.
    Im Gegenzug für die Kurzfassung seiner Vita bekam der Delivery Man schließlich die Geschichte von Gazuk auf der einstürzenden Brücke erzählt, und die von Razul und Dozul und Fazku und einem Dutzend anderer fürchterlich langweiliger, für eine ländliche Gesellschaft allzu typischer Ereignisse. Zu guter Letzt war die Geschichte von Fozik an der Reihe, die ungleich schwärmerischer als die anderen ausfiel. Nicht ohne Belustigung nahm der Delivery Man zur Kenntnis, dass der erste Raketenflug zu einer anderen Welt sich offenbar bis heute ungebrochener Verehrung erfreute, während alles, was die Anomine danach als raumfahrendes Volk zustande gebracht hatten, in ein paar dürren Sätzen abgehandelt wurde. Andererseits erlaubte ihm dies, in passender Weise mit der Geschichte des Raumfahrtprogramms während des Kalten Krieges und mit Neil Armstrong zu kontern, was Tyzak für gut vierzig Minuten verstummen ließ.
    An diesem ersten Abend schlugen sie ihr Lager am Rand eines kleinen Wäldchens aus hohen Bäumen mit ausladenden, herabhängenden Ästen auf.

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