Exodus
sind wir gezwungen, Ihnen ein schwerbewaffnetes Prisenkommando zu schicken, das Sie mit Gewalt zurückbringt.«
»Hallo, Sutherland! Hier spricht die Exodus. Wir haben dreihundertundzwei Kinder an Bord. Unser Maschinenraum ist mit Dynamit gefüllt. Wenn einer Ihrer Männer bei uns an Bord kommen sollte, oder wenn auch nur ein Schuß auf uns abgegeben wird, dann sprengen wir uns in die Luft!«
In diesem Augenblick ging Mark Parkers Bericht von London aus über Fernschreiber in alle Welt.
Sutherland, Alistair und die fünfhundert englischen Soldaten auf dem Kai waren sprachlos, als jetzt am Mast der Exodus eine Flagge gehißt wurde. Es war der Britische Union Jack, mit einem riesigen Hakenkreuz in der Mitte.
Der Kampf der Exodus hatte begonnen!
ANS-SONDERBERICHT
DAVID GEGEN GOLIATH, MODELL 1946
VON UNSEREM SONDERBERICHTERSTATTER
MARK PARKER
KYRENIA, ZYPERN
Ich schreibe diesen Bericht in Kyrenia, einer kleinen, zauberhaft schönen Hafenstadt an der Nordküste der Britischen Kronkolonie Zypern.
Zypern hatte eine reichbewegte Geschichte. Die Insel ist voll von Denkmälern einer großen Vergangenheit, angefangen von den Ruinen der Stadt Salamis bis zu den Kathedralen von Famagusta und Nikosia und den zahlreichen Schlössern aus der Zeit der Kreuzritter. Doch diese bewegte Vergangenheit kann es nicht an Dramatik mit dem aufnehmen, was sich in diesem Augenblick in dieser kleinen, abgelegenen und unbekannten Stadt abspielt. Seit einigen Monaten ist Zypern ein Internierungszentrum für jüdische Flüchtlinge, die versuchen, die englische Einwanderungsblockade zu durchbrechen und nach Palästina zu gelangen.
Auf bisher noch ungeklärte Weise sind heute dreihundert Kinder im Alter zwischen zehn und siebzehn aus dem Internierungslager bei Caraolos entkommen und quer über die Insel nach Kyrenia geflohen, wo sie ein umgebautes Transportschiff von rund zweihundert Tonnen erwartete, um sie nach Palästina zu bringen. Die Flüchtlinge sind fast alle Überlebende aus deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern. Das Bergungsschiff, das man passenderweise in Exodus umbenannt hat, wurde, bevor es den Hafen verlassen konnte, vom Britischen Intelligence Service entdeckt.
Das Schiff mit den dreihundert Flüchtlingskindern an Bord liegt vor Anker in der Mitte des Hafens, der einen Durchmesser von knapp dreihundert Metern hat.
Ein Sprecher der Exodus hat mitgeteilt, daß der Raum des Schiffes mit Dynamit gefüllt ist. Die Kinder sind entschlossen, gemeinsam Selbstmord zu begehen, und man wird das Schiff in die Luft sprengen, wenn die Engländer versuchen sollten, an Bord zu gehen.
LONDON
General Sir Clarence Tevor-Browne, der an seinem Schreibtisch in London saß, legte die Zeitung mit Parkers Bericht beiseite, brannte sich eine Zigarre an und beschäftigte sich mit den inzwischen eingegangenen letzten Meldungen. Mark Parkers Bericht hatte nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten wie eine Bombe eingeschlagen. Sutherland hatte es abgelehnt, die Verantwortung für den Befehl zu übernehmen, an Bord der Exodus zu gehen, und Tevor-Browne um Anweisung gebeten, was er tun solle.
Tevor-Browne war sich darüber klar, daß er die Ereignisse zum Teil verschuldet hatte. Er selbst hatte Bruce Sutherland für den Posten in Zypern vorgeschlagen, und er hatte auf den Brief von Alistair nicht reagiert, obwohl dieser Brief die Warnung enthalten hatte, daß irgend etwas passieren würde, wenn man Sutherland nicht abberiefe. Humphrey Crawford betrat das Büro von Tevor-Browne. Crawford, ein bleichgesichtiger, ehrgeiziger Beamter der nahöstlichen Abteilung des Kolonialministeriums, diente als Verbindungsmann zwischen der Armee und den politischen Drahtziehern von Whitehall und Chatham House.
»Tag, Sir Clarence«, sagte Crawford nervös. »Es wird Zeit, daß wir zu Bradshaw gehen.«
Tevor-Browne stand auf und nahm einige Unterlagen vom Schreibtisch. »Wollen den alten Cecil Bradshaw nicht warten lassen«, sagte er.
Cecil Bradshaws Büro befand sich im Institute of International Relations im Chatham House. Bradshaw war seit dreißig Jahren einer der tonangebenden Leute in allen Fragen der nahöstlichen Politik.
Als General Sir Clarence Tevor-Browne und Humphrey Crawford das Büro von Cecil Bradshaw betraten, stand dieser beleibte Mann in den Sechzigern mit dem Rücken zu ihnen und sah die Wand an. Humphrey Crawford nahm nervös auf einer Stuhlkante Platz. Tevor-Browne machte es sich in einem Ledersessel bequem und
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