Exodus
leisten, hunderttausend Juden die Einreise nach Palästina zu gestatten, hat unser Ansehen bei unseren Alliierten sehr gelitten. Gleichfalls schädigend für unser Prestige sind die Demütigungen, die uns die Makkabäer durch ihre Terroraktionen zufügen. Noch nie ist der britischen Autorität so übel mitgespielt worden wie durch die kürzliche Entführung eines britischen Richters, der einen jüdischen Terroristen verurteilt hatte. Cecil Bradshaw nahm seine Hornbrille ab, fuhr sich über die geröteten Augen und schüttelte den Kopf. Was für ein heilloses Chaos! Gamal Husseini, der Neffe des Mufti, war wieder einmal dabei, die arabische Opposition in Palästina auszuschalten, indem er ihre Vertreter umbringen ließ. Die Hagana mit ihrer Aliyah Bet und Akibas Makkabäer hatten unhaltbare Zustände geschaffen. Englische Offiziere waren auf der Straße mit Reitpeitschen geschlagen und englische Soldaten im Zuge von Vergeltungsmaßnahmen gehängt worden. Die Juden, die sich während der zweimaligen blutigen Unruhen vor dem zweiten Weltkrieg Zurückhaltung auferlegt hatten, zeigten den unverschämten Aggressionen der Araber gegenüber jetzt immer weniger Zurückhaltung.
Im Kreis der Eingeweihten munkelte man, Cecil Bradshaw habe seit der Sache mit der Exodus die Courage verloren, es noch mit den Juden aufzunehmen. Für das Palästina-Mandat schien das Ende zu nahen. Das kleine Land besaß eine Position von ungeheurer wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung. Es stellte sozusagen den Angelpunkt des gesamten Britischen Empire dar. Der Flottenstützpunkt und die Raffinerie von Haifa sowie die Nähe des Suezkanals machten es für die Engländer zu einer kategorischen Pflicht, die Stellung in Palästina zu halten.
Der Summer der Sprechanlage auf Bradshaws Schreibtisch ertönte. »General Tevor-Browne ist da.«
Bradshaw und Tevor-Browne begrüßten sich kühl. Tevor-Browne war einer der wenigen Beamten, die projüdisch eingestellt waren. Er war es gewesen, der hier in diesem Büro zu Beginn der ExodusAffäre das Ende des Mandats vorausgesagt und dafür plädiert hatte, der Exodus die Genehmigung zum Auslaufen zu erteilen, ehe der Hungerstreik begann. Tevor-Browne hatte stets die Meinung vertreten, daß die Juden und nicht die Araber ein Anrecht auf die Unterstützung der Engländer hätten, weil die Juden im Gegensatz zu den Arabern treue Verbündete waren, auf die man sich verlassen konnte. Er war dafür gewesen, aus Palästina einen jüdischen Staat zu machen, der dem Verband des Commonwealth angehören sollte. Doch weder Bradshaw und seine Kollegen vom Chatham-House noch die Herren vom Kolonialamt waren durch Gedanken, wie General Tevor-Browne sie hatte, in ihrem Kurs zu beirren gewesen. Selbst jetzt hatten sie nicht den Mut, ihren verhängnisvollen Irrtum einzusehen und das Ruder herumzureißen, sondern waren entschlossen, standhaft zu bleiben und notfalls mit unterzugehen. Die Furcht davor, daß die Araber das Öl und den Suezkanal zu Erpressungen verwenden könnten, war stärker als alle andere.
»Ich habe die Berichte gelesen«, sagte Bradshaw.
Tevor-Browne zündete sich eine Zigarre an. »Ja, sie sind sehr interessant. Die Juden scheinen ganz offenbar nicht gewillt zu sein, uns zu Gefallen rückwärts ins Meer zu marschieren.«
Bradshaw, dem die Hab-ich-ja-gleich-gesagt-Haltung des Generals auf die Nerven ging, trommelte mit seinen kurzen dicken Fingern auf die Platte des Schreibtischs. »Ich wollte keine bissigen Anspielungen von Ihnen hören, Sir Clarence. Ich muß in einigen Wochen eine Empfehlung vorlegen. Ich wollte mit Ihnen darüber reden, ob es ratsam ist, Haven-Hurst beizubehalten. Mir scheint, es ist an der Zeit, die Juden etwas schärfer anzufassen.«
»Wenn Sie das wollen, ist Haven-Hurst durchaus geeignet — es sei denn, Sie wollten sich der Dienste einiger SS-Generäle versichern, die als Kriegsverbrecher im Gefängnis sitzen. Ich darf Sie daran erinnern, daß wir vorläufig in Palästina immer noch eine zivile Verwaltung haben. Es gibt dort schließlich einen Hohen Kommissar.«
Bradshaw lief dunkelrot an. Obwohl er von Tag zu Tag cholerischer wurde, gelang es ihm, sich zu beherrschen. »Jedenfalls scheint es mir an der Zeit, Haven-Hurst ein bißchen auf Trab zu bringen.« Er reichte Tevor-Browne ein Blatt Papier über den Schreibtisch.
Es war ein Brief an den Kommandeur der britischen Streitkräfte in Palästina, General Sir Arnold Haven-Hurst. »Die Situation hat ein solches Stadium
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