FABELhafte Geschichten (German Edition)
hinauf.So nah war er ihnen noch nie gewesen.
Der Wind rauschte durch die Blätter.Sanft schaukelte das Nest hin und her und wiegte den kleinen Vogel in den Schlaf.
Am nächsten Morgen sah er sich genauer um.Von seinem Nest aus konnte er auf die Wipfel der anderen Bäume hinab sehen.Es schien langsam Herbst zu werden, denn das Blätterdach der Bäume leuchtete in den schönsten Farben.Es war ein herrlicher Anblick.Doch als sein Blick in die Ferne schweifte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen.Hinter dem Wald, in einiger Entfernung, entdeckte er einen Berg, der förmlich in den Himmel zu wachsen schien.Groß und mächtig streckte er sich empor und seine Spitze war eingehüllt von dicken, weißen Wolken.
Ganz kurz riss die Wolkendecke auf und gab einen Blick auf die Bergspitze frei.Dem kleinen Vogel stockte der Atem.So etwas hatte er noch nie gesehen.Gebannt sah er hinüber zu dem Berg.Dort oben, direkt auf der Spitze des Berges, inmitten der Wolken, dort wollte er sein Nest bauen.Endlich den Wolken nicht nur hinterher sehen, sondern mitten in ihnen zu wohnen und nach ihnen greifen können, damit würde sein allergrößter Wunsch in Erfüllung gehen und er wäre am Ziel seiner Träume.Und ohne lange zu überlegen, schwang sich der kleine Vogel in die Luft und verließ das Nest in der Eiche.
Der Weg war weiter und der Berg höher als er angenommen hatte.Beinahe wollte er aufgeben und umkehren, aber die Aussicht auf einen Griff nach den Wolken, auf das Besondere und Einzigartige trieb ihn voran.
Es wurde kühler.Die Bäume, die der kleine Vogel überflog wurden kleiner und bald wuchsen statt Bäume nur noch vereinzelte Sträucher.Dann gab es unter ihm nichts weiter als blanken Fels.
Mit allerletzter Kraft erreichte der kleine Vogel den Berggipfel.Völlig ermattet ließ er sich auf dem felsigen Boden.Hier oben gab es nichts als Steine und Geröll.Es war bitterkalt und ein eisiger Wind pfiff dem kleinen Vogel durchs Gefieder.Er plusterte sich auf, aber davon wurde ihm auch nicht wärmer.Schutz suchend kauerte der kleine Vogel zwischen dem kargen Gestein.Langsam plagte ihn der Hunger.Doch hier gab es keine Samen, keine Körner, noch nicht einmal einen Wurm.Nur Einöde und Kälte.
Matt flatterte der kleine Vogel mit den Flügeln, jedoch fehlte ihm die Kraft, um sich erneut emporzuschwingen und zurückzufliegen. Der kleine Vogel war furchtbar müde und schloss die Augen. Er träumte von einer dichten Hecke und einem kleinen Garten, von zwitschernden Artgenossen und Futterstationen. Und aus den dichten Wolken schwebten die ersten Schneeflocken herab, die sachte auf den kleinen Körper fielen und ihn langsam in eine weiße, kalte Decke hüllten.
***
Der Kaktus und der Käfer
Traurig schaute der kleine Kaktus zu den vielen bunten Blumen, die von zahlreichen Insekten umschwärmt wurden, hinüber.Er seufzte.Die Blumen hatten es gut, sie wurden verehrt und geliebt.Ihn dagegen beachtete niemand.Das war auch nicht verwunderlich.Er hatte nun einmal keine schönen und wohlriechenden Blüten zu bieten, sondern nur einen grünen, runden Körper, der übersät war mit spitzen und harten Stacheln.
Doch so wehrhaft und abweisend das Äußere des kleinen Kaktus auch wirkte, sein Kern war ganz weich und verletzlich.Der kleine Kaktus sehnte sich furchtbar nach ein wenig Zuneigung.Von jemandem geliebt zu werden, das war sein größter Wunsch. Aber die Erfüllung dieses Wunsches war ihm bislang verwehrt geblieben.
Die Zeit verging.Jeden Tag flatterten die gleichen bunten Schmetterlinge an ihm vorbei, stets darauf bedacht, mit ihren zarten Flügeln den kleinen Kaktus keinesfalls zu berühren.Die Hummeln und Bienen verhielten sich nicht anders. Zu groß erschien ihnen die Gefahr, an dem stacheligen Gesellen Schaden zu nehmen und sie umflogen ihn in einem großen Bogen. Indes wurde der kleine Kaktus immer unglücklicher.
Eines Tages entdeckte der kleine Kaktus jemanden, den er noch nie zuvor gesehen hatte.Ein kleiner Käfer krabbelte an ihm vorbei und setzte sich etwas abseits der Blumen auf einen Grashalm.Verstohlen beobachtete der Kaktus den Käfer, der auf dem Halm sanft vom Wind hin- und hergeschaukelt wurde.Sein Panzer schillerte im Sonnenlicht in den schönsten Farben.Er wirkte überhaupt nicht plump, wie so viele andere seiner Art.Und als er ein Stück weiter krabbelte, sah der kleine Kaktus, dass der Käfer sich sogar ausgesprochen anmutig bewegte.Er ist einfach ganz reizend, fand der kleine
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