Faith (German Edition)
und diesmal gab es keine Unstimmigkeiten.
Leise waren sie und unsichtbar, alle.
Nur Elsabe fehlte.
Die, die flogen, sollten nur schauen, beobachten.
Lilly saß am Rand des Feldes der Mandragora und wartete. „Ihr Leben“, dachte sie, „war schön, aber kurz gewesen.“ Sie hatte jedoch verstanden, dass Elsabe nicht anders handeln konnte. Heute Nacht, wenn der Mond seinen silbernen Schein über die Felder legte, würden die Alraunen sich nach ihr strecken, um sie zu sich holen.
Die junge Hexe legte den Kopf in den Nacken und verfolgte voller Sehnsucht den Flug der Hexen, deren weite Bögen den Himmel bemalten.
Hingetuscht vor hellem Blau, zarte Schleier.
Sie bereute nicht, was sie getan hatte. Sie hatte es für ein Zauberland getan, das für kurze Zeit auch ihres gewesen war. Nicht alles, was Lilly gesehen hatte, war schön gewesen. Die dunkle Welt Leathans war düster. Die Wesen dort schienen ohne Freude. Viele besaßen nichts. Wenige besaßen alles, aber alles war farblos. Selbst Gold und Silber verloren dort ihren schimmernden Glanz.
Ein Schattenreich. Zu betreten durch eine Burg, die sich noch in der Lichten Welt befand.
Sie schüttelte sich.
Ohne Gras und Blätter unter seinen Füßen zu berühren, schwebte ein kleiner grüner Elf mit rotgoldenen Haaren am gegenüberliegenden Rand des Alraunenfeldes in der Luft und beobachtete Lilly. Seine blauen Augen ließen die junge Hexe keinen Augenblick los. Seine abstehenden Ohren bewegten sich unruhig. Er hatte gehört, was Elsabe zu Lilly gesagt hatte.
„Das ist ein sehr ernstes Vergehen“, hatte sie gesagt, als Lilly bei den Grotten landete. „Niemals hat eine junge Hexe gegen das Verbot zu fliegen verstoßen.“
„Aber …“
„Nein, Lilly, kein ,Aber‘, es gibt kein ;Aber‘. Du weißt, was das bedeutet?“
„Ja, ich weiß, ich muss zurück auf die Felder.“
„Dann geh jetzt.“
Und Lilly war gegangen.
Zerstreut hatte Elsabe der Kleinen hinterher gesehen.
Sie musste nachdenken. Gab es wirklich gar keine andere Möglichkeit?
Nun, jetzt gab es Wichtigeres.
Das Medaillon, das Lilly mitgebracht hatte, war größer als das, welches Oskar Magalie geschenkt hatte, sah aber genauso aus. „Genauso unscheinbar“, dachte Elsabe.
In der Mitte gab es eine winzige Vertiefung.
Sie musste es Magalie zeigen.
Über ihr Gesicht legte sich ein Schatten, als sie daran dachte, welch furchtbare Zeit ihre Freundin gerade durchmachte. Elsabe brachte Magalie einen neuen Grund für Tränen.
Sie konnte ihr den zusätzlichen Kummer nicht ersparen.
Faith war verschwunden.
Sie fand Magalie, wie sie vermutet hatte, vor dem Wasserfall, hinter dem sich die Höhle mit der Feuersäule verbarg. Seit Robert dort hineingegangen war, hatte sie sich nicht mehr vom Fleck gerührt. Müde sah Magalie ihr entgegen.
Elsabe streckte ihr wortlos die Hand entgegen, auf der Handfläche das Schmuckstück, das den, der seinen Zauber kannte und das Gegenstück dazu besaß, zum mächtigsten Wesen der Anderswelt machte.
Die Müdigkeit verschwand aus Magalies Zügen.
Während die Hexe von Lillys Ankunft berichtete, zog Magalie das kleine Amulett hervor und setzte den winzigen Dorn, der die Form eines Lilienstängels hatte, in die Vertiefung des größeren Teiles.
Frau Dr. Kirchheim-Zschiborsky macht sich Gedanken
Aufatmend legte die Direktorin den Hörer auf die Gabel ihres altmodischen Telefons. Dieser Anruf vom Schulrat war recht ungelegen gekommen.
Sie hoffte das Misstrauen Dr. Möttings zerstreut zu haben. Er galt als sehr korrekt, und wenn er Unregelmäßigkeiten witterte, stand er am nächsten Tag unangemeldet in der Tür, um das Unterste ganz nach oben zu kehren. Dieser Schulrat war ein strenger Mann. Früher selbst Lehrer gewesen, später Rektor, wusste er genau, wo er wühlen musste, um zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen.
Dieses verflixte Mädchen.
Der Schulrat hatte ihr zwar nicht verraten, woher er seine Informationen bezogen hatte, aber er konnte sie, ihrer Ansicht nach, nur von Patricia bekommen haben.
Wie sonst sollte die Schülerzeitung Exquisit mit dem Artikel über Feen und Elfen in seinem Briefkasten gelandet sein.
„Patricia muss sich wahnsinnig geärgert haben und war bestimmt in ihrer Eitelkeit gekränkt“, dachte sie, „als sie Wind davon bekommen hatte.“ Ein Picknick bei Robert, zu dem sie nicht gebeten worden war. „Sie muss mitgehört haben“, dachte die Direktorin weiter, „als Faiths Freunde darüber sprachen.“ Diese Einzelheiten
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