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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Sonntage ließen sich am besten an, weil ich allein war, und bald fing ich auch an, zur Arbeit eine Flasche Whisky mitzubringen. Eines schönen Sonntags, nach einer wüsten nächtlichen Zecherei, würgte mir die Flasche einen rein; ich kriegte Mattscheibe. Als ich abends nach Hause kam, konnte ich mich noch undeutlich an gewisse merkwürdige Vorkommnisse erinnern, aber ich kriegte es nicht mehr zusammen. Am nächsten Morgen, ehe ich zur Arbeit ging, sagte ich zu Jan: »Ich glaub, ich hab die Sau abgegeben. Aber vielleicht bilde ich mirs auch nur ein.«
    Ich ging rein und begab mich zur Stechuhr. Meine Karte steckte nicht mehr im Regal. Ich drehte mich um und ging rüber zu der alten Dame, die das Personalbüro leitete. Als sie mich kommen sah, wurde sie nervös.
    »Mrs. Farrington, meine Arbeitskarte ist nicht mehr da.« »Henry, ich habe Sie immer für so einen netten Jungen gehalten.«

    »Ja?«

    »Sie wissen wohl nicht mehr, was Sie angestellt haben, wie?« Sie sah sich verstört um.

    »Nein, Ma’am.«
    »Sie waren betrunken. Sie haben Mr. Pelvington im Umkleideraum festgehalten und wollten ihn nicht mehr gehen lassen. Sie haben ihn dreißig Minuten lang gefangengehalten.«
    »Und was hab ich mit ihm gemacht?«
»Sie ließen ihn nicht mehr gehen.«
»Wer ist das überhaupt?«
»Der 2. Geschäftsführer dieses Hotels.«
»Was hab ich sonst noch gemacht?«
»Sie haben ihm einen Vortrag gehalten, wie er dieses Hotel
    führen soll. Und dabei ist Mr. Pelvington schon seit dreißig Jahren in der Hotelbranche tätig. Sie sagten, Prostituierte sollten nur für das erste Stockwerk zugelassen werden, und man solle sie regelmäßig von einem Arzt untersuchen lassen. Mr. Chinaski, in diesem Hotel gibt es keine Prostituierten.«
    »Oh, das weiß ich, Mrs. Pelvington.«
»Farrington.«
»Mrs. Farrington.«
»Sie haben Mr. Pelvington auch darüber belehrt, daß für die
    Arbeit an der Laderampe statt zehn Männern nur zwei benötigt würden; und daß weniger gestohlen würde, wenn man jedem Angestellten nach Feierabend einen lebenden Hummer mitgeben würde, und zwar in einem speziellen Käfig, der sich für den Transport in Omnibussen und Straßenbahnen eignet.«
    »Sie haben wirklich einen Sinn für Humor, Mrs. Farrington.«
    »Der Hoteldetektiv konnte Sie nicht dazu bewegen, Mr. Pelvington gehen zu lassen. Sie rissen ihm ein Stück aus seiner Jacke heraus. Sie gaben erst nach, als wir die Polizei riefen.«
    »Lassen Sie mich mal raten: Ich bin entlassen, ja?«

    »Richtig geraten, Mr. Chinaski.«
    Ich ging raus und verdrückte mich hinter einen Stapel Kisten. Ich wartete, bis sich Mrs. Farrington in ihren Schreibkram vertiefte. Dann drückte ich mich an ihrem Büro vorbei und ging in die Kantine. Ich hatte nach wie vor meine Essenskarte. Ich konnte mir noch eine letzte gute Mahlzeit klemmen. Das Essen für die Angestellten war fast so gut wie das für die Hotelgäste, und außerdem bekamen wir größere Portionen. Ich ging mit meiner Essenskarte an den Tresen, nahm mir ein Tablett, Messer und Gabel, einen Pappbecher und einige Papierservietten. Als ich an der Durchreiche hochsah, erblickte ich ein Stück weiße Pappe, auf die jemand in großen krakeligen Buchstaben geschrieben hatte:
    KEIN ESSEN MEHR FÜR HENRY CHINASKI

    Ich stellte mein Tablett unauffällig wieder hin und verließ die
    Kantine. Ich ging auf die Laderampe hinaus, sprang runter und ging die Gasse entlang. Ein Penner kam mir entgegen. Einer wie ich. »Hast du mal ne Lulle, Kumpel?« fragte er. »Yeah.« Ich schüttelte zwei aus der Packung, eine für ihn, eine für mich. Ich gab ihm Feuer. Dann steckte ich mir meine an. Er ging nach Osten davon, ich nach Westen.

86
    Der Farm Labor Market lag Ecke Fifth und San Pedro. Man mußte morgens um 5 Uhr dort sein. Es war noch dunkel, als ich hinkam. Männer saßen und standen herum, drehten sich Zigaretten und unterhielten sich leise. Es roch, wie es in solchen Schuppen immer riecht – nach saurem Schweiß, Urin und billigem Wein.
    Am Tag zuvor hatte ich Jan beim Umzug geholfen. Sie war zu einem fetten Häusermakler gezogen, der am Kingsley Drive wohnte. Ich hatte hinten im Flur gestanden, außer Sichtweite, und hatte zugesehen, wie er sie küßte; dann waren sie zusammen in seine Wohnung reingegangen und hatten die Tür hinter sich zugemacht. Ich war hinaus auf die Straße gegangen, seit langer Zeit wieder mal allein, und da war mir zum erstenmal so richtig aufgefallen, daß die Straßen förmlich in Papier und

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