Erhört: New Tales of Partholon 4 (German Edition)
PROLOG
Der Tag begann trügerisch ruhig.
Das morgendliche Dämmeropfer an Epona war außergewöhnlich bewegend gewesen. Die Göttin hatte Etain so vollkommen erfüllt, dass sie ihre strahlende Präsenz den ganzen Morgen über in sich gespürt hatte, nun war ihr endlich ein wenig Zeit für sich allein vergönnt – eine kurze Befreiung von den Pflichten als Inkarnation der Göttin.
Die ersten Wehen nahm sie nur als vages Gefühl von Unwohlsein wahr. Sie fand auf ihrer dick gepolsterten Chaiselongue einfach keine bequeme Stellung. Daher fuhr sie die enthusiastische Dienerin uncharakteristisch ungeduldig an, die hereinkam, um sich zu vergewissern, dass ihrer Herrin tatsächlich kein Wasser heiß gemacht werden sollte. Nicht einmal der Gedanke an ein langes Bad in dem von Mineralquellen gespeisten Badebecken schien ihr verlockend.
Etain hoffte, ein Rundgang durch ihren zauberhaften Blumengarten würde das beheben, was sie eine kleine Magenverstimmung wähnte, hervorgerufen von den Erdbeeren beim Mittagsmahl. Der Spaziergang schien tatsächlich zu helfen – bis sie stehen blieb, um an einer wunderschönen blutroten Blüte zu schnuppern. Da platzte ihre Fruchtblase. Das Wasser ergoss sich in einem Schwall über die seidenen Slipper der Inkarnation der Göttin.
Die Normalität war beendet.
„Ist es nicht immer so?“ Sie zog eine Grimasse und biss die Zähne zusammen, als eine neue Schmerzwelle ihren Körper packte. Vorgebeugt stützte sie sich schwer auf den Arm der Frau, die sie begleitete.
„Pscht, Etain“, sagte Fiona mit ihrem hellen melodischen Akzent. „Sprich nicht, meine Freundin, sonder konzentriere dich auf deine Atmung.“
Etain nickte als Zeichen der Zustimmung heftig und versuchte ihre gekeuchten Atemzüge Fionas ruhiger, tiefer Atmung anzupassen. Die Wehe erreichte ihren Höhepunkt und verebbte.
Hektische Aktivität setzte ein. Der Inkarnation der Göttin wurde von der Schar ihrer Begleiterinnen die Kleidung gewechselt, und sie bemerkte die Weisen Frauen, die in den Dörfern in der Nähe von Eponas Tempel lebten und sich im Garten versammelt hatten.Sie legte einen Arm um Fionas Taille und zog Kraft aus der robusten Natur ihrer Vertrauten, um ihren Weg durch den Blumengarten fortzusetzen. Freundin und Ratgeberin der Auserwählten, hatte Fiona ihr versichert, dass herumzulaufen ihr bei der Geburt des Kindes helfen würde.
Während der Tag langsam dahinkroch, ließ die beruhigende Wirkung von Etains kleiner Oase nach, doch der Nachklang von Eponas morgendlicher Anrufung blieb – wie immer vertraute Eponas Auserwählte auf das Band zwischen ihr und der Göttin und fand darin Stärke und Trost.
Fiona lächelte aufmunternd, und gemeinsam drehten die beiden Frauen sich um und gingen auf die hohen Glastüren zu, die von Etains Schlafzimmer direkt in ihren privaten Garten führten. Leichte Vorhänge in der Farbe flüssigen Goldes flatterten vor den geöffneten Bleiglasfenstern, die zugleich als Türen dienten. Die Inkarnation der Göttin atmete tief durch und versuchte ihr rasendes Herz zu beruhigen und sich für die nächste Kontraktion zu wappnen.
„Ich glaube, das hier ist der schlimmste Teil.“ Wie immer sprach sie ihre Gedanken Fiona gegenüber laut aus.
„Was meinst du?“ Fiona schaute ihre Freundin und Herrin nachdenklich an.
„Die Unausweichlichkeit der Ereignisse. Ich kann es nicht aufhalten. Ich kann es nicht anhalten. Ich kann es überhaupt nicht beeinflussen. Die Wahrheit ist, ich würde gerne sagen: Nun, das war eine interessante Erfahrung, aber jetzt ist es genug. Ich möchte baden, ein leckeres Mahl zu mir nehmen und schön eine Nacht durchschlafen. Machen wir einfach morgen weiter, einverstanden?“
Fiona brach in perlendes Gelächter aus. „Das wäre nett.“
„Nett?“ Etain zog eine sehr ungöttliche Grimasse. „Das wäre wundervoll.“
Sie nahm einen weiteren tiefen Atemzug und genoss die berauschende Süße der üppig blühenden Fliederbüsche, die diesen Teil des Weges säumten. Der Pfad machte eine leichte Linkskurve, und dem Flieder folgte eine Fülle violetter Rosen, die in voller Blüte standen. Die zarten Vorhänge blähten sich vor der Tür und schwebten wie Flügel riesiger Schmetterlinge über den Köpfen der Rosen. Ein paar Meter vor dem Schlafgemach, das seit unzähligenGenerationen Partholons Geliebte der Epona beherbergte, blieben Etain und Fiona stehen. Die sanfte Brise trug den verzaubernden Klang des Lobgesangs zu ihnen, den die Weisen Frauen
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