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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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beide weiterreisen würden, er zurück nach Chicago, sein Chauffeur, den er auf dem Treffen kennengelernt hatte, nach … wohin? Atlanta? Er war nicht mehr sicher. Um den Weg zum Flughafen zu schaffen, hatten sie um vier Uhr aufstehen müssen. Das war keine Aufwachzeit für einen Sir.
    Er wäre in der Lage gewesen, dies alles wegzustecken. Er hatte zwei interessante Bücher erworben, in die er sich im Flugzeug vergraben wollte. Ein Lichtblick.
    Doch da war Curtis Aukway, zweiundzwanzig Jahre alt, rundlich, blond, mit hellblauen Augen und voll von jugendlichem Überschwang. Wenn er redete – und er redete ohne Unterlass –, lenkte er seinen Blick nur sporadisch auf die Straße.
    „Diese Geisterfotos!“, tirilierte er. „Sagenhaft. So etwas möchte ich auch schießen. Believe it or not, Sir, noch heute gehe ich zu Walmart und besorge mir eine verdammte digitale Spiegelreflex. Ich kenne einen alten Friedhof, der wird abends nicht richtig geschlossen, und da lege ich mich auf die Lauer. Wenn ich was einfange, maile ich es Ihnen. Habe ich eigentlich Ihre Mailadresse, Sir?“
    „Nein“, erwiderte der Brite.
    „Sie könnten Sie in mein Handy tippen – oder, nein, bemühen Sie sich nicht! Sie sind ja ein großes Tier. Ich werde Ihre Adresse schon auftreiben.“
    Oder auch nicht , dachte Sir Darren, der Vorkehrungen getroffen hatte, um Menschen, von denen er nicht gefunden werden wollte, die Suche zu erschweren.
    Aukway plapperte weiter: „Dieser Nachmittag gestern – er hat mich bekehrt. Ich werde ein Anlaufpunkt für die Anliegen der Geisterwelt sein. Wer immer sich von denen da drüben hier auf dieser Welt äußern möchte, kann gerne Gast in meinem Körper sein. Automatisches Schreiben, Tischerücken, Ektoplasma, ich bin für alles zu haben.“ Curtis nahm die Hände vom Lenkrad. Die Straße verlief gerade. Trotzdem verkrampfte sich Sir Darren. „Kommt, ihr Geister aus den jenseitigen Reichen, sucht mich, findet mich und nehmt mich in Besitz. Mein Herz ist rein, mein Ansinnen aufrichtig, mein …“
    Irgendetwas veränderte sich. Die Scheinwerfer setzten für den Bruchteil einer Sekunde aus, nur um anschließend mit dreifacher Helligkeit aufzuflammen. Die Motorgeräusche klangen mit einem Mal hohl.
    Sir Darren atmete langsam aus. „Ich habe diesem Mietwagen von Anfang an nicht getraut“, murmelte er. Er hing seinen Gedanken nach, bis ihm auffiel, dass Curtis nicht mehr redete.
    Der junge Mann saß steif und aufrecht hinter dem Steuer und starrte nach vorn. Seine Lippen waren einen Spalt geöffnet, seine Wangen gerötet. In seinen Augen spiegelten sich die grün glimmenden Anzeigen.
    Sir Darren runzelte die Stirn und versuchte die Veränderung zu ignorieren. Nach fünf Minuten hielt er es nicht mehr aus. „Mr. Aukway“, sagte er leise. „Ist vielleicht irgendetwas nicht, wie es sein sollte?“
    Curtis‘ erste Antwort war nur ein unartikuliertes Grunzen, als wäre er mit seinen Sprechwerkzeugen nicht ganz vertraut. Dann meinte er leise, mit knarzendem Unterton: „Er hat gerufen.“
    „Wer hat gerufen?“
    „Gerufen. Wachgerufen. Sie müssen doch … erwachen. Nicht wahr?“
    Sir Darren verdrehte die Augen. Wenn Curtis glaubte, dass er ihm mit dieser seltsamen Showeinlage etwas vorspielen konnte, hatte er sich geschnitten. Sir Darren Edgar war mehr als nur ein Mann der Bücher – schon oft hatte er selbst Kontakt mit der Geisterwelt gehabt, hatte Menschen erlebt, die tatsächlich in Trance gefallen waren, und …
    Sir Darren schluckte.
    … sie sahen so aus wie dieser junge Mann neben ihm!
    Das war doch wohl nicht sein Ernst! Ein unerfahrener Bursche wie er, der einen Poltergeist nicht von einer weißen Frau unterscheiden konnte, brauchte nur kurz ein paar Worte zu sagen, wichtigtuerisch die Augen zu verdrehen, und schon – schlüpfte ihm eine fremde Seele unter die Haut?
    Nein, also wirklich!
    Das ging nicht. So etwas passierte nicht. Er war nicht damit einverstanden.
    „Mr. Aukway?“, fragte er. „Curtis? Hallo?“
    Curtis röchelte, aber es sah nicht aus, als ringe er nach Luft. Er hatte nur seine Atemorgane nicht ganz im Griff. Ein häufiges Phänomen in solchen Fällen.
    „Sie sagten etwas von wachrufen , und ich frage mich …“
    „Er ruft so laut, wie er nie gerufen hat. Warum hören sie ihn denn nicht? Sie müssen doch aufwachen. Sonst wachen sie doch auch auf, wenn er kr … kr … wenn er ruft. Oh Gott, er ruft zu spät. Er … sein Krähen … es kommt zu spät … Gütiger Herr im

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