Familienpackung
T-Shirts, seine Badehose und eine Jeans in den Koffer und wundert sich jedes Mal über meinen Gepäckumfang. Diesmal werde ich beweisen, wie strategisch Frauen packen können.
Nachdem ich eine gute Stunde meine Sachen durchwühlt und alles übers gesamte Schlafzimmer verteilt habe, höre ich Christoph. Ich renne die Treppen runter und stürze mich in seine Arme. »Sag nichts«, flehe ich ihn an, weil ich erst mal keine schlechten Nachrichten hören will. »Ich liebe dich und bin so gut wie reisefertig. Alles andere wird sich finden. Es gibt für jedes Problem eine Lösung«, fange ich direkt zu trösten an. »Hoffentlich, Andrea«, sagt er und guckt ziemlich ernst, »lass uns alles in Ruhe im Wohnzimmer besprechen.« »Brauche ich dafür gleich wieder Alkohol?«, frage ich vorsichtig. »Na ja«, antwortet er, »wahrscheinlich.« Das klingt nicht sehr viel versprechend. »Jetzt erzähl halt«, will ich alles wissen. Ich kann schlechte Nachrichten vertragen, hoffe ich jedenfalls. Und außerdem haben wir ja dann Zeit, in den Flitterwochen alles zu besprechen.
»Also«, fängt Christoph an, »heute Morgen war ich ziemlich früh wach und da habe ich erst mal meine Mutter angerufen und beiläufig erwähnt, wie es hier aussieht.« Diese beiläufige Bemerkung kann ich mir sehr gut vorstellen. »Mutti, komm schnell, ich lebe in einem Saustall, meine Frau schläft seelenruhig und ich weiß nicht, wo die Putzlappen sind.« Ich bin nett und erspare mir einen Kommentar. Die allgemeine Stimmung schreit nicht gerade nach ironischen Anmerkungen. »Ich weiß, dass Inge da war, ich habe mich schon bedankt, wir haben telefoniert«, sage ich nur und dann: »Weiter.« »Na ja und als ich nach Putzzeug gesucht habe, da habe ich diesen kleinen Zettel in der Schublade gefunden.« Würde er häufiger zum Lappen greifen, wüsste er auch, wo die Dinger sind, aber na ja. Ich gebe ihm spontan trotzdem einen Kuss. »Das mit den
Flitterwochen ist schon lange gebucht, ich habe ja gemerkt, dass du irgendwie schlecht drauf bist, und ich kann’s ja auch ein bisschen verstehen. Also habe ich gedacht, wenn wir zwei hier mal rauskommen, das wäre doch was.« »Ja«, seufze ich, »das ist wirklich himmlisch. Eine traumhafte Idee. Ich freu mich total.« »Hhm«, brummt er und erzählt weiter, »dann klingelte auf einmal das Telefon und der Langner war dran.« »Und was hat er gesagt?«, wage ich eine kleine scheue Zwischenfrage. »›Bitte seien Sie so freundlich und kommen Sie mal schnell ins Büro, ich muss Sie noch heute sprechen, ich habe mir eine Menge Gedanken gemacht.‹ Und ich sage dir, Andrea, so wie der geredet hat, wusste ich, es ist fünf vor zwölf.« »Sag’s gleich, hast du deinen Job noch?«, traue ich mich, die alles entscheidende Frage zu stellen. Was soll das Drumherumreden. »Na ja«, stammelt er, »eigentlich nicht. Nein, habe ich nicht mehr.« Scheiße, Scheiße, Scheiße. Bis eben war noch alles eine grausige Vermutung, aber jetzt ist es raus. Ich will nicht weinen, keinesfalls, ich muss doch die Mutmachende sein, aber ich kann nicht anders. Ich streichle sein Gesicht und sage immer wieder, unter Tränen allerdings: »Wir werden es irgendwie schaffen. Du bist toll, du hast bestimmt schnell was Neues und ich, ich kann ja auch wieder arbeiten. Würde ich sogar gerne. Sorge dich nicht.« Mehr ist bei dem Schock an Zuspruch nicht drin. Was für ein hartherziger Kotzbrocken, dieser Langner. Der weiß doch um unsere familiäre Situation. Wie kann der, nur weil einer mal die Wahrheit gesagt hat, ihm gleich kündigen. Den knöpfe ich mir vor. So ein mieser Typ. Das ist teuflisch ungerecht. Ich meine, er hat solche Reaktionen doch selbst provoziert durch sein herrisches In-die-Kanzlei-Bestellen. »Wie geht
es dir?«, frage ich meinen Mann. »Eigentlich gut, ich wollte es ja nicht anders.« Wie soll ich denn das verstehen? War das Absicht? Wusste er, dass der Langner im ersten Stock sitzt und hat er ihn etwa absichtlich herausgefordert? Das wäre dann vielleicht doch nicht wirklich schlau gewesen. Und auch ziemlich unverantwortlich. »Ich rufe ihn an und versuche zu retten, was zu retten ist«, zeige ich Einsatz und beweise, dass ich für meinen Mann sogar zu einem erniedrigenden Demutsgang bereit bin.
»Mal langsam, Andrea«, bremst mich Christoph, »ich schildere dir mal das gesamte Gespräch.« Ich nicke. Manchmal ist es auch gut, mit dieser Art Anruf zu warten, bis der erste riesige Zorn weg ist. »Ich komme also in die Kanzlei
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