Familienpackung
Mann, den Oberstudienrat, daraufhin kichern. Eine erstaunliche Angelegenheit, denn ansonsten neigt Friedhelm wenig zum Lachen. Ich glaube, ich habe ihn noch nie wirklich lachen sehen. Friedhelm ist kein unattraktiver Mann, aber er hat einen sehr, sehr strengen Zug um den Mund. Als ich Anita mal darauf angesprochen habe, natürlich
etwas verschlüsselt und vorsichtig, meinte sie nur: »Unterrichte du mal einen Haufen Pubertierender, da vergeht auch dir der Spaß.«
Vielleicht liegt es auch an der Gegend. Anita und ihr Mann wohnen schon länger hier. Wird man da ein wenig strenger? Schlägt der Reihenhausblues aufs Gemüt?
Für mich kann ich das klar bejahen. Dabei war ich diejenige, die dringend aufs Land wollte. Für die Kinder. Und fürs eigene Haus. Wer kann sich schon in bester Citylage ein nettes Anwesen leisten? Mit ehrlicher Arbeit und ohne fette Erbschaft ist das so gut wie ausgeschlossen.
Jetzt sitze ich hier und weiß nicht so recht. Ist es das, was ich wollte?
Es riecht streng. Es ist nicht der animalische Restduft von Herrn Barts, schade eigentlich, sondern mein angebrannter Spinat. Jetzt auch noch das Telefon. Es ist Anita mit der Frage, ob der Stromfritze bei mir auch so aufdringlich gewesen sei.
Danke, Herr Barts, ich hatte mir mehr von Ihnen versprochen.
Vom Spinat auch. Mittlerweile kann mich sogar Spinat enttäuschen. Aber oben geht er noch. Einfach nicht umrühren. »Wie mein Leben«, denke ich und werde melancholisch. Oben geht’s, aber wenn man tüchtig rührt, tun sich doch schwarze Stellen auf. Ich entwickle mich schon zur Spinathobbyphilosophin. Grausig.
Er schmeckt ein bisschen angeröstet, aber meine Kinder sind sowieso in keiner Form heiß auf Spinat. Claudia, die Große, hat die nächsten Wochen noch Glück. Bis zum Ende ihrer Kindergartenlaufbahn, in vier Wochen, isst sie
dort zu Mittag. Claudia, meine Tochter, ist nämlich ein Vorschulkind. Das betont sie oft und gerne. Als wäre allein die Tatsache, im schulpflichtigen Alter zu sein, eine große Leistung. Es sei ihr gegönnt. Schließlich soll das Kind ja positiv auf die Schule eingestimmt werden. Mentale Vorbereitung nennt sich das. Eine angenehme Aura schaffen. Als ich klein war, hieß es nur: »Du kommst jetzt in die Schule, der Spaß ist dann vorbei«, das war natürlich ein wenig gröber, aber letztlich, rein inhaltlich gesehen, ja nicht ganz falsch.
Ich mache ein paar Fischstäbchen zum Röstspinat. Und Kartoffeln. Ein Klassiker der Mütterküche. Seit Jahrzehnten in den Top Ten. Ich persönlich esse lieber Spiegelei zum Spinat, mein Sohn hingegen mag kein Spiegelei. Wie sein Vater. Es ist ihnen zu glibberig. Also dann Fischstäbchen. Mein Ego hängt nicht an einem Ei. Übrigens auch nicht an zweien. Heike, meine Freundin aus München, würde jetzt mit spitzer Zunge fragen: »Welches Ego überhaupt?« Apropos Heike, wie lange ich die schon nicht mehr gesehen habe. Meine Lesbenfreundin aus dem wilden München. Sie muss mich unbedingt besuchen. Ich notiere im Kopf: Heike anrufen und einladen. Ein paar Tage in Heikes Gesellschaft sind wie menschliches Johanniskraut. Heike hat eine herrlich pragmatisch witzige Art, auf Dinge zu schauen. Es ist einfach Mist, wenn die beste Freundin so weit weg lebt.
Mark und ich essen zu Mittag. Mein Sohn schaufelt, als wäre es seine letzte Mahlzeit. Ich habe den Spinat geschickt unter die Fischstäbchen gemogelt, er schafft es aber trotzdem, elegant drum herum zu essen. Soweit man das Gemansche Essen nennen kann. Rein optisch hat es mehr von einem Terroranschlag auf unschuldige kleine Fischstäbchen, die dem Ganzen auch noch wehrlos ausgesetzt sind.
Wenn Claudia in die Schule kommt, kommt Mark in den Kindergarten. Welch ein Segen. Dann gehört der Vormittag wieder ausschließlich mir. Und dem Bügelbrett, dem Staubsauger und anderen höchst attraktiven Gesellen. Trotzdem, ich freue mich auf die Zeit. Mit einem Kleinkind rund um die Uhr bleibt wenig Zeit für einen selbst. Vom Arbeiten jenseits der eigenen vier Wände gar nicht zu reden. Welch ein Gedanke: Rausgehen in die Welt der Erwachsenen, mit den Kollegen ein Schwätzchen halten, Kaffee trinken und vielleicht mal wieder Erfolgserlebnisse haben, die so rein gar nichts mit Kind und Haus zu tun haben.
Wobei, wenn man ehrlich ist, sich die Erfolgserlebnisse zurzeit sowieso in Grenzen halten. In sehr engen Grenzen. Klar sagt mal jemand, »schmeckt gut«, oder »sieht ja toll hier aus«, aber das sind auch schon die absoluten Highlights
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