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Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Titel: Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henriette Frädrich
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nur irgendwelche Widerworte oder andere Ansichten duldeten. Beziehungsweise es war mein Opa, dem alle Folge zu leisten hatten. Oma machte das, was Opa sagte. So wirkte es immer, als seien sie eine Einheit. Doch letztlich war es mein Großvater, der das emotionale Zepter in der Hand hatte. War er gut drauf, war die Stimmung entspannt. War er schlecht drauf, schlug sich das sofort auf alle Menschen um in herum nieder. Wie Frost senkte sich seine Stimmung auf alle um ihn herum. Und mein Opa war oft schlecht gelaunt. Mal, weil es ihm gesundheitlich nicht so gut ging, mal, weil ihm irgendeine andere undefinierbare Laus über die Leber gelaufen war. Es konnte alles sein. Zu jedem Zeitpunkt. Hatte er schlechte Laune, zog er sich zurück und strafte alles Leben um sich herum mit Verachtung und Eiseskälte. Kam man ihm dann zu nahe, blökte er einen an oder beachtete einen noch nicht mal. Kein Wunder also, dass alle um ihn herum immer bemüht waren, ihm alles recht zu machen. Denn seine Übellaunigkeit war nur schwer zu ertragen. Besonders nicht für mich, sein kleines Enkelmädchen, das ihren Großvater eigentlich liebte und bewunderte. Stets fragte sie sich, ob sie Schuld war, dass es ihm nicht so gut ging. Und so tat ich alles, um zu verhindern, dass er „böse“ wurde. Mein Opa war in gewisser Art und Weise ein Tyrann. Die Welt hatte sich nach ihm zu richten. Und tat sie das nicht, so gnade ihr Gott.  Hatte mein Großvater gute Laune, hellte sich alles um ihn herum wieder auf. Alle atmeten auf. Die Farben kehrten zurück ins Spiel. Aufatmen überall. Juhu, heute geht es ihm gut. Er verteilte seine gute Launen wie kostbare Schätze. Er beehrte uns regelrecht damit.
    Die Freude darüber, Urlaub mit den Großeltern zu machen, hielt sich also bei mir und meiner Schwester in Grenzen. Zumal die Konstellation auch in sofern angespannt war, dass ich die Lieblingsenkelin war, und meine kleine Schwester, obwohl sie erst vier Jahre alt war, bei meinen Großeltern einen schweren Stand hatte. Während ich immer lieb und brav und folgsam war, zeigte meine Schwester schon von Anfang an einen immensen Sturkopf. Wenn sie etwas nicht wollte, wollte sie es nicht. Und wenn sie etwas wollte, dann wollte sie. Und meistens setzte sie ihren Kopf durch, und wenn nicht, dann gab es riesiges Theater. Mit stundenlangem Geschrei. Ich hätte mich das nie getraut. Meine Schwester kannte indes dagegen nichts. Mit renitenten und eigensinnigen Menschen konnten meine Großeltern nicht umgehen. Vielmehr verabscheuten sie diese. Sie erwarteten Gehorsam um jeden Preis. Klar, dass ich also im Spiel um die großväterliche Gunst ganz weit vorne lag. Und meine Schwester das Nachsehen hatte.
    Das Verhältnis zu meiner Schwester war immer gut. Wir liebten uns, wir zofften uns, wir nervten uns – ganz normal eben für eine Schwesternbeziehung. Uns trennte ein großer Altersunterschied, und so war ich nicht nur ziemlich große Schwester, sondern auch ein bisschen wie eine Zweit-Mama für sie. Ich passte auf sie auf, spielte mit ihr, kümmerte mich um sie. So auch im Urlaub. Wovor ich sie allerdings nicht beschützen konnte, waren die Launen meines Großvaters. Ich bemerkte, wie er alles, was sie sagte oder tat, verabscheute. Er konnte sie einfach nicht leiden. Und mir tat es so leid, doch ich war machtlos. Beziehungsweise feige. Doch was sollte ich auch tun, als zwölfjährige, allein mit den Großeltern in der Pampa? Als Erwachsener kann man irgendwann, wenn es einem zu bunt wird, einfach auf den Tisch hauen und gehen. Nimmt sich ein Taxi, fährt zum Bahnhof, kauft sich ein Ticket und fährt weg. Aber ich als kleines Mädchen hatte diese Möglichkeit nicht.
    Am schlimmsten war jedoch ein Winterspaziergang. Und ich schäme mich bis heute, dass ich nicht den Mumm hatte, mich meinem Großvater entgegen zu stellen und Partei für meine kleine Schwester zu ergreifen. Es war Winter, und Ziel der Urlaubsreise war die Nordsee, die in diesem Jahr von einem erstaunlich harten Winter in Beschlag genommen war. Überall lag Schnee, in den Dünen, ja sogar am Strand. So stapften wir vier, Oma, Opa, meine kleine Schwester und ich, eines Nachmittags warm eingepackt durch den dicken Schnee am Strand und durch die Dünen. Es hätte so schon sein können, doch aus unerfindlichen Gründen entwickelte sich zwischen meinem autoritären Opa und meiner sturen vierjährigen Schwester ein absurder Machtkampf.
    Es war kalt, und mein Opa bestand darauf, dass sie Handschuhe anziehen

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