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Fangonia (German Edition)

Fangonia (German Edition)

Titel: Fangonia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Die Fischer sagten immer, ihre Augen wären wandelbar wie das Meer. Die witzigen Sommersprossen auf ihrer kleinen Nase ließen ihr Gesicht hübsch und frisch aussehen.

    Langsam schlenderten die beiden zu den Booten zurück. Das Eis tat gut bei der Hitze. Die beiden Kinder liefen direkt zu ihrer Höhle unter dem kleinen Pier. Eigentlich war es viel mehr ein Felsvorsprung, über den der Pier hinwegführte. Dina und Joe aber nannten es ihre Höhle, weil man von dort aus nicht gesehen werden, selbst aber alles beobachten konnte.
    Sie ließen sich in den feuchten Sand im Schatten des Piers nieder und betrachteten die Boote, die von seichten Wellen sanft hin und her gewiegt wurden. „Das da mag ich, das blau-schwarze! Wenn das mein Boot wäre, dann würde ich damit nach Fangonia fahren!“ Dina wies mit dem Finger auf ein schönes, mittelgroßes Boot, welches ein wenig abseits der anderen Boote im Meer schwankte. Dieses Spiel spielten sie oft: Sie suchten sich ein Boot aus, und erzählten sich von den Abenteuern, die sie damit erleben, und den fernen Ländern, die sie bereisen würden. „Fangonia?“, lachte Joe, „Wo soll denn das sein?“ „Anderthalb Tagesreisen von hier entfernt in nordwestlicher Richtung!“, rief Dina bestimmt, prustete dann aber laut los, als sie Joes skeptisches Gesicht sah. Sie konnte noch nie überzeugend lügen. Joe warf ihr etwas Sand entgegen, und beide lachten.
    Die Stunden gingen nur allzu schnell herum. Zu bald wurden die Punkte nah am Horizont immer größer und nahmen die Gestalt von Fischerbooten an. Der Himmel war in sanftes Gelb und Rosa getaucht.
    „Ich muss los!“, riss sich Dina aus ihren Träumen. Die Eltern hatten es nicht gerne, wenn sie sich zum Abendessen verspätete. Sie hob zum Abschied kurz die Hand und lief aus der Höhle.
    „Bis morgen!“, rief Joe ihr nach.
    Er würde noch lange hier sitzen bleiben. Es war egal, wann er nach Hause ging. Seine Mutter ließ immer etwas zum Essen für ihn stehen. Er lehnte sich zurück und betrachtete die Boote.
    Ein Boot zu besitzen war Joes Traum, und dieser rückte jetzt in greifbare Nähe. Das Boot, an dessen Außenhaut er am Morgen liebevoll die letzte Farbschicht aufgetragen hatte, war ein neues Boot, an dem sein Vater und er gearbeitet hatten. Sein Vater hatte zwar nichts gesagt, aber Joe war sich sicher, dass es sein Boot werden würde. Zufrieden lächelnd betrachtete er seine Hände, die noch Spuren der Farbe aufwiesen. Er hatte sie ausgesucht: Dunkelgrün, wie es das Meer nur an ganz bestimmten Tagen war, dann, wenn ein Geheimnis in der Luft lag…

    Das weiße Haus

    D ina folgte den engen Gassen ins Innere des Dörfchens. Die laue Abendluft war geschwängert vom schweren, süßen Duft des wilden Weins und Jasmins, die hier überall in den Gärten und Häuserecken wuchsen. Dina sog die Luft tief ein, bevor sie links in einen etwas breiteren Weg einbog, der einen sanften Hang hinauf führte. Ganz am Ende dieses Weges sah sie schon das weiße Häuschen stehen.
    Es war ein sehr schönes Haus. Alles war hell und neu und sauber. Ganz anders als die Hütten am Strand. Dina gefiel das Häuschen, sie mochte ihr einladendes Zimmer, das einen herrlichen Blick auf den blühenden Garten bot. Dennoch: In den Hütten am Strand war immer so viel Leben; es wurde gelacht, geredet und gesungen. Hier war es meistens still. Dina seufzte, lief dann aber doch etwas schneller. Die Fenster waren geöffnet. Es war nicht mehr ganz so heiß und der Wind hatte zugenommen. Sie lief durch das erst kürzlich geschnittene Buchsbaumtor und öffnete die Tür.
    „Dina, gleich gibt es Abendbrot, wasch dir bitte die Hände und setz dich an den Tisch!“ Die Mutter rief es vom Esszimmer heraus, ohne sich nach ihr umzudrehen.

    Der frische Fisch, den es zum Abendessen gab, schmeckte gut. Dina hatte genügend Hunger mitgebracht. Die frische Luft sorgte bei ihr immer für einen guten Appetit. Jetzt war Dina müde, und wollte nur noch auf ihr Zimmer gehen, um in dem spannenden Buch zu lesen, das jeden Abend auf sie wartete. Sie rutschte mit dem Stuhl zurück, als ihre Eltern einen kurzen Blick untereinander tauschten. „Warte, Dina-Schatz. Es gibt noch etwas worüber wir reden müssen.“ Die Mutter drückte sie sanft wieder in den Stuhl. Oh je, das verhieß nichts Gutes…

    ~ ~ ~

    Nein! dachte Dina zornig. Niemals. Wie konnten sie mir das nur antun? Ich werde nicht weggehen. Auf gar keinen Fall. Es war stockfinster draußen, nur der Mond warf sein blasses

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