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Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten

Titel: Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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KAPITEL EINS
     
     
     
    Der Berg schien eine einzige, riesige Masse aus grauem Stein zu sein, die über dem grünen Flusstal aufragte.
    Doch in Wirklichkeit war es kein Berg.
    Es war ein Wesen aus Stein. Alt, kalt und riesig groß wie es war, gefiel es ihm, seit tausenden von Jahren am gleichen Ort zu liegen. Es schlief und träumte von den Zeiten, als es aus dem feurigen Schoß der Erde geboren worden war.
    Da es schon so lange an diesem Platz gelegen hatte, nahmen viele Reisende an, dass es ein fester und dauerhafter Bestandteil des Geländes war. Ganz anders als der Rest von Aenir – wo Bäume gehen, Hügel gegen einander kämpfen und Flüsse ihren Verlauf ändern konnten, wann immer sie wollten.
    Auf den Landkarten der Erwählten des Schlosses hieß dieser gewaltige Felsklotz ,Berg des kalten Steins‘. Jedes Jahr kamen die Erwählten aus einer anderen Welt nach Aenir und verbrachten viele Wochen damit, die eingeborenen Kreaturen einzufangen und zu versklaven. Die Wesen aus Aenir wurden mitgenommen und mussten ihnen als Geistschatten dienen.
    Doch ein paar der Erwählten wussten, dass der Berg des kalten Steins alles andere als ein Berg war. Ein Erwählter hatte sogar herausgefunden, wie man den Berg dazu bringen konnte, sich zu bewegen.
    Eines Tages hatte er den Berg des kalten Steins dazu veranlasst, sich rumpelnd den Rücken zu strecken. Der Berg hatte sich ein wenig aus dem Felsbett erhoben, das den Boden des Tales bildete.
    Während die Steinkreatur ihren Rücken gestreckt hatte, waren zwei andere Erwählte – Begleiter des ersten – schnell unter den massiven Bauch aus goldgesprenkeltem Granit gekrochen und hatten etwas in einem der vielen Löcher versteckt, die sich an der Unterseite des Berges des kalten Steins fanden.
    Unglücklicherweise jedoch konnte der Meister der beiden Erwählten die Magie, die den Berg gehoben hatte, nicht lange genug aufrecht erhalten. Der Koloss legte sich etwas früher als erwartet wieder hin und die beiden Männer wurden zu Tode gequetscht. Das Objekt, das sie in der Höhle versteckt hatten, hingegen überlebte. Es blieb verborgen unter sechshundert Spannen massiven Felsens.
    Das Objekt war beinahe unzerstörbar. Es war ein einzelner Kristall der in einer rechteckigen Form gewachsen war. Er war beinahe so hoch wie ein Erwählter, vielleicht dreimal so breit und nur eine Handspanne dick. Auch ohne die Einwirkung von Licht leuchtete seine Oberfläche wie Wasser, das den Mond widerspiegelte. Es war eine geheimnisvolle, silbrig strahlende Masse.
    Von Zeit zu Zeit verschwomm das Licht wie bei einem Regenbogen und es entstanden Bilder, absolut lebensechte Bilder, die sich über seine seltsame Oberfläche hinwegbewegten. Oder es waren Inschriften in der eleganten und komplizierten Schrift zu sehen, die nur die Erwählten benutzten. Manchmal auch in den kantigen Runen der Eiscarls.
    Das seltsame, leuchtende Objekt war der Kodex der Erwählten. Sein richtiger Platz war in der Dunkelwelt, im Schloss auf dem Gipfel des Berges des Lichtes. Er gehörte nicht nach Aenir und er hätte niemals hierher gebracht werden dürfen.
    Der Kodex besaß viele Kräfte, doch keine konnte ihm dabei helfen, sich durch den Stein zu bohren oder die Berg-Kreatur zu einer Bewegung zu veranlassen. All seine Kräfte hatten etwas mit Wissen zu tun – damit, Wissen zu sammeln und weiterzugeben.
    Tief unten in seinem steinernen Gefängnis konnte der Kodex nur eine seiner vielen Kräfte nutzen. Er konnte sehen und hören, indem er die Gedanken von anderen als Augen und Ohren benutzte.
    Er hatte sofort begonnen, nach diesen Gedanken zu suchen, nachdem der Berg sich niedergelegt hatte.
    Im ersten Jahr fand der Kodex nichts als augenlose, taube Würmer.
    Im zweiten Jahr fand er blinde Grillen, die durch die vielen Spalten und Risse des Berges schlichen.
    Im dritten Jahr fand der Kodex Klumpen eines halb-intelligenten Mooses, das allerdings keine Sinne besaß, die das magische Artefakt begreifen konnte.
    Noch Jahre danach streckte der Kodex seine mentalen Fühler aus, doch er fand nur nutzlose Kreaturen – oder überhaupt nichts.
    Es lag nicht in der Natur des Kodex aufzugeben. Er würde noch hundert Jahre weitermachen. Oder tausend.
    Glücklicherweise musste er das nicht. Gerade einmal zweiundzwanzig Jahre nachdem er im Schloss gestohlen und unter diesem Berg versteckt worden war, fand er einen Grugel. Und obwohl er noch nie zuvor einem Grugel begegnet war, wusste er doch gleich, dass es einer war, als er auf

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