Farben der Herzen
Margaret ein.
“Die, die ihre geistigen Fähigkeiten stärken sollten”, murmelte ich.
Margaret zuckte die Schultern und blickte mich nicht an. Sie ordnete die Knäuel im Regal mit der Kammwolle und tat geschäftig. Ich begriff, dass sie nicht wirklich über dieses Thema sprechen wollte. Dann – vollkommen unverblümt und zu meiner Überraschung – stieß sie plötzlich hervor: “Mom ist bereit zu sterben.”
Ich wollte ihr widersprechen, aber es gelang mir, den Protest hinunterzuschlucken. Doch meine Tränen konnte ich nicht zurückdrängen.
“Ich glaube nicht, dass es noch lange dauern wird.”
“Nein!” Jeder Erwachsene muss sich früher oder später mit dem Verlust seiner Eltern auseinandersetzen. Das gehörte einfach dazu, wie Brad zu sagen pflegte. Aber ich fühlte mich nicht bereit, wenige Jahre nach dem Tod meines Vaters auch noch meine Mutter zu verlieren. Nicht jetzt schon, betete ich und flehte stumm zu Gott. Dad war seit fast vier Jahren tot – an manchen Tagen fühlte es sich an, als wäre es erst gestern geschehen. Dann wieder schien es eine Ewigkeit her zu sein.
“Hast du schon ein neues Heim für Mom gefunden?”, fragte Margaret. “Denn ich würde gern mit dem Verwalter sprechen.”
Ich nickte. “Das wollte ich dir gerade erzählen. Es ist ein Heim für Demenzkranke. Eines der Häuser, das die Schwester aus der Einrichtung für betreutes Wohnen empfohlen hat.” Brad und ich waren am späten Montagmorgen dort gewesen und waren beeindruckt, wie freundlich die Mitarbeiter uns begegneten. Mit dem Verwalter des Heims hatten wir gegen Ende der Woche einen Termin.
“Matt und ich können beim Umzug helfen”, versicherte Margaret. “Wir werden einen Transporter mieten. So viele Möbel sind schließlich nicht mehr übrig …”
Auch ohne es ausgesprochen zu haben, war uns beiden klar, dass es wahrscheinlich Moms letzter Umzug werden würde.
Das Glöckchen über der Tür klingelte, und ich wandte schnell mein Gesicht ab, um mir die Tränen zu trocknen. Das Letzte, was meine Kunden sehen wollten, war eine weinende Besitzerin.
Bevor ich mich wieder umdrehen konnte, begrüßte Margaret bereits lautstark unseren Gast. “Detective Johnson! Was für eine angenehme Überraschung.”
Meine Schwester freute sich sichtlich. Ich hatte schon oft gehört, wie sie Detective Johnson erwähnt hatte. Bevor Danny Chesterfield gefasst worden war und zur Gegenüberstellung hatte erscheinen müssen, war Johnsons Name immer von empörtem Murmeln und dem einen oder anderen Schimpfwort begleitet worden. Seit Julia den Täter identifiziert hatte, schien Johnson auf dem Wasser gehen zu können. Margaret glaubte wieder an das System und daran, dass am Ende die Gerechtigkeit siegte. Bald würde die Welt wieder im Lot sein.
“Hallo, Mrs. Langley”, sagte der Detective und blickte sich flüchtig in meinem Geschäft um. Er fühlte sich in einer Umgebung, die dem weiblichen Geschlecht vorbehalten zu sein schien, offensichtlich unbehaglich – wobei es durchaus auch Männer gibt, die gern stricken und häkeln.
“Haben Sie meine Schwester schon kennengelernt?”, fragte Margaret und zerrte mich geradezu hinter dem Tresen hervor, damit ich ihrem Helden die Hand schütteln konnte. “Das ist Lydia Goetz.”
“Freut mich, Sie kennenzulernen.” Er war ein gut aussehender Mann um die vierzig, trug einen perfekt sitzenden Anzug und sein Haar ein bisschen länger. Ich erinnerte mich dunkel daran, dass Colette schon einmal von ihm gehört hatte. Offenbar hatte ihr Ehemann ihn gekannt.
“Kann ich irgendetwas für Sie tun?”, fragte Margaret. “Möchten Sie einen Kaffee? Tee? Einen Strickkurs?” Wenn es nicht Margaret gewesen wäre, die diese Worte aussprach, so hätte man es leicht für einen Flirt halten können. Doch meine Schwester ist zu brüsk zum Flirten – ich bezweifle, dass sie überhaupt weiß, wie das geht.
“Nichts, danke.” Der Detective stand unsicher vor uns und blickte einen Moment lang auf den Fußboden vor sich. Dann hob er den Kopf. “Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir alles, was wir gegen Chesterfield in der Hand haben, der Staatsanwaltschaft übergeben haben.”
“Sie werden ihn jetzt einsperren, nicht wahr? So läuft es doch, oder?”, fragte Margaret.
Ich spürte die Veränderung in ihrer Stimme. Es schien beinahe, als wäre der Zorn zurück. Als schwele er unter der Oberfläche, bereit zu explodieren, wenn sich der Anlass bot.
“Normalerweise schon. Aber Chesterfield hat ein
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