Farben der Herzen
Vorwürfe waren.
Wieder verfiel sie in dumpfes Schweigen. Es war eine unnatürliche Stille, die mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
“Das Ganze ist noch nicht vorbei”, sagte sie.
“Margaret.” Noch einmal versuchte ich, zu ihr durchzudringen. Meine Verzweiflung wuchs. “Was hast du vor?” Ich würde sie nicht aus den Augen lassen, bis ich herausgefunden hatte, was es war.
Sie starrte mich an und runzelte die Stirn. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt wahrnahm, denn sie schien durch mich hindurchzusehen.
“Margaret”, wiederholte ich und berührte sie ganz sacht am Arm. “Was wirst du tun?”
Sie sah mich an. Ihre Augen wirkten so kalt und ihr Blick so kämpferisch, dass ich erschauderte. “Es ist besser für dich, wenn du das nicht weißt.” Dann holte sie ganz ruhig ihre Handtasche aus dem Büro und verließ das Geschäft.
29. KAPITEL
Colette Blake
C olette hatte sich die ganze Woche auf das Essen mit Elizabeth – und Christian – gefreut. Sie fragte sich, wie seine Tante gedachte, ihn zum Kommen zu bewegen. Aber sie konnte nur hoffen, dass Elizabeth es schaffte. Colette spürte einen überwältigenden Drang, ein
Bedürfnis
, ihn zu sehen … und mit ihm zu sprechen. Inzwischen war sie im fünften Monat schwanger und konnte das Geheimnis nicht länger für sich behalten. Es war an der Zeit, dass Christian es erfuhr und sie den Mut fand, es ihm zu sagen. Vielleicht an diesem Abend … Wenn sie ihm von dem neuen Leben in ihr erzählte, überzeugte es ihn möglicherweise, sein Fehlverhalten zu gestehen – oder eben das zu tun, was nötig war.
Seine Tante Elizabeth hatte Colette über Christian und auch über sie selbst die Augen geöffnet. Colette verstand nun vieles besser. Sich vor ihm zu verstecken – und die Schwangerschaft vor ihm geheim zu halten – war dumm gewesen. Es war ein Fehler, den sie wiedergutmachen wollte.
An diesem Abend öffnete nicht Doris die Tür, sondern Elizabeth selbst.
Die alte Dame schürzte die Lippen und verkündete: “Christian wird nicht kommen.” Sie schüttelte den Kopf. “Ich habe alles getan, um ihn zu überreden, aber er hat mich durchschaut.”
“Ist schon gut”, versicherte Colette schnell und lächelte tapfer. Sie war fest entschlossen, sich ihrer Enttäuschung nicht zu beugen und das Essen und Elizabeth’ Gesellschaft trotzdem zu genießen.
“Nein, es ist nicht gut”, brummelte Elizabeth. “Mein Neffe ist ein so sturer junger Mann. Er lässt einfach nicht mit sich reden.” Sie ergriff Colettes Arm und zog sie ins Haus.
Gemeinsam saßen sie im Esszimmer, und trotz des frischen grünen Spargels, des Wildreises und des zarten gegrillten Lachses hatte keine von beiden Appetit.
“Sie müssen zu ihm gehen”, erklärte die alte Dame während des Essens unvermittelt. Offensichtlich war ihr der Gedanke soeben gekommen, denn ihre Miene hellte sich sichtlich auf. “Wenn er nicht zu uns kommt, dann handeln
wir
eben. Wir werden es ihm einfach unmöglich machen, uns zu ignorieren.” Mit neu gewonnenem Elan griff sie nach ihrer Gabel.
“Ich … ich bin mir nicht ganz sicher, ob das eine so gute Idee ist.”
“Unsinn”, widersprach Elizabeth. “Die Idee ist brillant. Warum ist mir das nicht schon früher eingefallen? Sie
werden
doch gehen, oder?”
Colette bemerkte den ausgesprochen offensichtlichen Wechsel von
uns
und
wir
zu
Sie.
Rechtfertigungen und Entschuldigungen schossen ihr durch den Kopf. Sie bediente sich der ersten Ausrede, die ihr in den Sinn kam – auch wenn sie noch so schwach war. “Ich weiß doch gar nicht, wo er ist.”
“Er ist zu Hause”, spöttelte Elizabeth Sasser. Sie leierte seine Adresse herunter, die Colette natürlich schon kannte, obwohl sie selbst nie da gewesen war.
“Bestimmt will er mich nicht sehen.” Das war ein sehr viel triftigerer Grund.
Die alte Dame lachte auf. “Im Gegensatz zu Ihnen bin ich mir ziemlich sicher, dass er Sie durchaus sehen will. Ich kenne Christian. Gehen Sie zu ihm, Colette – das wird alles verändern.”
Colette
wollte
ihr glauben. Bevor sie jedoch für sich selbst entscheiden konnte, ob sie den Vorschlag annehmen wollte oder nicht, fand sie sich auf Elizabeth’ Veranda wieder, den Zettel mit Christians Adresse in der Hand.
“Gehen Sie jetzt”, sagte Elizabeth und fuchtelte mit den Händen, als wollte sie einen unliebsamen Staubsaugervertreter verscheuchen. “Wie heißt es doch so schön in der Werbung? Just do it. Tun Sie es einfach. Worauf
Weitere Kostenlose Bücher