Farben der Herzen
Laufkundschaft beschäftigt, die inzwischen zwanzig bis dreißig Prozent ihres Umsatzes ausmachte.
Eine der ortsansässigen Highschools feierte an diesem Abend Abschlussball. Susannah und Chrissie verbrachten den Nachmittag damit, so schnell es in dem beengten Arbeitsbereich möglich war, Ansteckblumen und Sträußchen zu binden.
Colette bewunderte Susannah. Sie wartete mit immer neuen Ideen auf, um ihren kleinen Laden in der Gegend bekannt zu machen. Und wenn das bedeutete, einem ihrer Servicepartner für eine Tombola ein riesiges Blumengesteck zur Verfügung zu stellen, dann war es eben so. Susannah besuchte Krankenhäuser, Hochzeitsplaner und Beerdigungsunternehmen und umriss kurz, welchen Service sie anbot. Die Geschäfte liefen immer besser. An manchen Tagen schafften die beiden die Arbeit kaum allein – immer öfter kam Chrissie nach den Vorlesungen zu ihnen in den Laden und half aus.
Colette schätzte Chrissies Hilfe und ihre ruhige, fröhliche Art. Doch was sie am meisten beeindruckte, war die Hingabe und Liebe, die Chrissie ihrer Großmutter entgegenbrachte. Die alte Dame lebte im Osten Washingtons, und Chrissie hatte es sich angewöhnt, sie alle zwei bis drei Tage anzurufen. Colette wusste, dass auch Susannah ihrer Mutter sehr nahestand und sie häufig anrief. Glücklicherweise hatte sie eine Freundin, die ab und an nach ihrer Mutter sah und ihr berichtete, wie es Mrs. Leary ging.
Das Telefon klingelte, und Susannah nahm das Gespräch entgegen. Sie warf ihrer Kollegin einen Blick zu. Da Colette glaubte, es würde sich um ein privates Gespräch handeln, ging sie nach draußen, um sich den Blumen in den Eimern vor der Tür zu widmen. Sie arrangierte die Blüten neu und fügte Iris zu den Lilien, um damit eine ansprechende Farbvielfalt zu schaffen.
Nach einigen Minuten kehrte sie in das Geschäft zurück und sah, dass Susannah noch immer am Telefonieren war.
Unvermittelt nahm Susannah den Hörer vom Ohr, legte ihre Hand über die Sprechmuschel und flüsterte: “Eigentlich ist es für dich.”
“Für mich?” Im ersten Moment dachte Colette, dass Christian am Apparat war – aber ihr wurde schnell klar, dass sie es sich eher erhoffte, als tatsächlich erwartete. Sie konnte nicht verstehen, warum Susannah sich so lange mit jemandem unterhalten hatte, der doch eigentlich sie sprechen wollte. Sie eilte zu ihrer Chefin, die ihr den Hörer schon entgegenhielt.
“Hier spricht Colette Blake”, meldete sie sich möglichst sachlich.
Sie hörte ein Schluchzen und dann eine brüchige Stimme. “Colette, hier ist Elizabeth Sasser.”
Beinahe augenblicklich wurde Colette von einem unguten Gefühl erfasst. “Elizabeth, ist alles in Ordnung?”
“Nein, meine Liebe, ich fürchte … das ist es nicht.” Ihre Stimme zitterte, und Colette spürte, dass Christians Tante um Fassung rang.
“Geht es um … Christian?”
“Ich fürchte, ich habe schlechte Neuigkeiten.” Die alte Dame hielt inne und atmete schließlich scharf aus. “Könnten Sie, wenn es keine Umstände macht, zu mir nach Hause kommen?”
“Selbstverständlich.” Colettes Herz hämmerte.
Schlechte Neuigkeiten?
Irgendetwas war Christian zugestoßen – das war die einzige Möglichkeit. Plötzlich drohten all ihre Ängste sie zu übermannen, und sie hatte einen Augenblick lang das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
“Danke”, flüsterte Elizabeth. “Kommen Sie so schnell es geht”, fügte sie noch hinzu.
Die Verbindung wurde unterbrochen, bevor Colette Elizabeth noch weitere Fragen stellen konnte.
Langsam legte sie den Hörer auf. Susannah kam zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern.
“Hat sie dir erzählt, was geschehen ist?”, fragte Colette. Sie wollte, sie musste es wissen – egal, wie schlecht die Nachrichten auch sein mochten.
“Nein. Sie konnte es nicht. Sie war so außer sich, dass die Haushälterin mit mir gesprochen hat. Aber die war ebenfalls ziemlich durcheinander, und es war schwierig, sie überhaupt zu verstehen.”
“Doris”, sagte Colette. “Ihr Name ist Doris.”
Susannah nickte. “Doris hat mir erklärt, dass Elizabeth vor ungefähr einer halben Stunde einen Anruf erhalten hat und daraufhin beinahe kollabiert wäre.”
“Er ist tot.” Colette kannte dieses Gefühl – dasselbe Gefühl hatte sie empfunden, als sie nach Dereks Sturz dem Rettungswagen zum Krankenhaus gefolgt war.
“Colette, es gibt keinen Grund, gleich das Schlimmste anzunehmen.” Susannah drückte sie tröstend an sich.
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