Farben der Herzen
Schluchzen beinahe unter.
“Bist du bereit, darüber zu reden?”
“Nein!”, schrie sie, und der Zorn übernahm die Kontrolle. “Ich will es
vergessen!
Warum musste er
mich
nehmen? Ich hasse ihn … ich hasse ihn!” Sie schluchzte wieder, dieses Mal noch verzweifelter. “Warum lasst ihr mich nicht alle in Ruhe? Jeder will immer nur darüber reden. Ich halte dieses Leben nicht mehr aus … Ich will nicht mehr leben!”
Mit einem Schlag verstand ich, warum Hailey solche Angst hatte. “Süße, sag das nicht.”
Julia hatte das Telefon offenbar weggeworfen, denn ich hörte ein lautes Scheppern und kurz darauf war Hailey wieder am Apparat. “Sie weint noch immer, aber jetzt liegt sie mit dem Gesicht nach unten auf dem Fußboden.”
Julia beschimpfte ihre Schwester, und ich musste kräftig schlucken.
Hailey schnappte nach Luft. “Was soll ich denn nur machen, Tante Lydia?”
“Ich sage besser deiner Mutter Bescheid.”
“Kann sie nach Hause kommen?”
“Natürlich.” Vielleicht wollte Julia ihre Mutter im Augenblick nicht sehen, doch mir war klar, dass sie mit jemandem über die furchtbaren Ereignisse reden musste – möglicherweise mit einem Psychologen oder ihrem Arzt.
Ein paar Minuten später, nachdem ich Hailey so gut es ging beruhigt hatte, kam Margaret zurück.
“Alix stand an der Espressomaschine”, erzählte Margaret und grinste.
Ich hatte meine Schwester schon lange nicht mehr so gelöst erlebt. Mir brach es beinahe das Herz, sie über Julias Zustand informieren zu müssen.
“Hailey hat gerade angerufen”, sagte ich.
Das fröhliche Lächeln und die Freude verschwanden augenblicklich aus ihrem Gesicht. “Ist mit Julia alles in Ordnung?”
Ich schüttelte den Kopf. “Ich fürchte, sie hat einen Nervenzusammenbruch.”
Margaret erbleichte. Die Atempause war vorüber. Mit einem Mal wirkte sie angespannt. Für einen Moment schien es, als sei sie versteinert, gelähmt durch die Unschlüssigkeit, was nun zu tun war.
“Sie braucht dich”, sagte ich. “Denn sie redet wirres Zeug.” Ich konnte ihr nicht sagen, dass Julia davon gesprochen hatte, nicht mehr leben zu wollen. Es machte mir Angst, dass sie überhaupt darüber nachdachte …
Margaret starrte ins Leere.
“Fahr nach Hause und ruf mich an, sobald du da bist. Damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist. Fahr jetzt, Margaret.”
Meine Schwester nickte.
Ich ging zu ihr und umarmte sie. “Alles wird wieder gut”, versicherte ich. Und betete, dass es auch so sein würde.
Margaret verschwand. Als ich sie davonfahren sah, wünschte ich mir, ich hätte den Laden geschlossen und sie begleitet. Ich war mir nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, sie in dieser Situation allein zu lassen.
Eine Ewigkeit verging, bevor das Telefon klingelte. Als ich den Hörer abnahm, meldete sich Hailey. Zuerst erkannte ich ihre Stimme nicht, denn sie weinte. “Meine Mom und mein Dad sind hier”, schluchzte sie. “Sie wollen Julia ins Krankenhaus bringen. Daddy glaubt, dass Julia professionelle Hilfe braucht.”
Ich spürte einen Kloß in meiner Kehle. “Oh mein Gott. Ich komme zu euch”, versprach ich Hailey.
“Sie wollen nicht, dass ich mitkomme, und ich will hier nicht allein sein.”
“Bleib ruhig, ich bin schon unterwegs.” Noch nie hatte ich den Laden so überstürzt verlassen. Sogar als Margaret und ich erfahren hatten, dass unsere Mutter bewusstlos zu Hause aufgefunden worden war, hatte ich Jacqueline gebeten, zu kommen und auf den Laden aufzupassen.
Nachdem ich Hailey beruhigt hatte, rief ich Brad auf seinem Handy an und erklärte ihm, was geschehen war. Er bestärkte mich darin, eine Nachricht an die Tür zu hängen, abzuschließen und sofort loszufahren. Und ich versprach, ihn anzurufen, sobald ich etwas Neues wusste.
Ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich in mein Auto stieg und zum Haus von Matt und Margaret fuhr.
In dem Moment, als ich auf die Auffahrt rollte und den Motor abstellte, wurde die Haustür aufgestoßen, und Hailey rannte die Stufen hinunter. Sie warf sich in meine Arme und weinte bitterlich.
Ich hielt sie fest und strich ihr beruhigend übers Haar. Zwei Nachbarn beobachteten uns. Da ich wusste, wie viel Wert Margaret auf ihre Privatsphäre legte, küsste ich Hailey auf den Scheitel und führte sie ins Haus zurück.
Als wir im Haus waren, nahm Hailey sich ein Taschentuch und putzte sich geräuschvoll die Nase.
“Weißt du, was Julia so aufgeregt hat?”, erkundigte ich mich. Denn
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