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Farben der Herzen

Farben der Herzen

Titel: Farben der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Macomber
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ich fragte mich, warum sie gerade jetzt diesen Zusammenbruch erlitten hatte.
    Hailey schüttelte den Kopf.
    Ich stellte einen Kessel mit Wasser auf, um Tee zu kochen. Tee hatte immer eine beruhigende Wirkung auf mich, und ich hoffte, dass er auch meiner Nichte helfen würde.
    “Mom hat versucht, mit Julia zu reden. Sie hat ihr erklärt, dass die Polizei den Mann bald festnehmen wird.”
    Dasselbe hatte Margaret auch mir erzählt. “Hat es etwas genützt?”, fragte ich.
    “Nein.” Hailey sah mich mit Tränen in den Augen an. “Julia hat nur geweint. Sie wollte aufhören. Ich habe gemerkt, wie sehr sie sich angestrengt hat, aber sie konnte es einfach nicht. Es ist … es ist, als hätte sie alles in sich hineingefressen – und nun brechen all die unterdrückten Gefühle aus ihr heraus.” Sie biss sich auf die Unterlippe und wirkte, als müsste sie selbst wieder anfangen zu weinen.
    Der Teekessel pfiff, und ich kümmerte mich sofort darum. Ich goss das kochende Wasser in eine Keramikkanne, die einst unserer Mutter gehört hatte, und gab eine gute Portion Zucker in unsere Tassen – nach den Ereignissen des Nachmittags würde uns das bestimmt guttun.
    “Erzähl mir, was genau passiert ist”, sagte ich, brachte unseren Tee zum Tisch und nahm neben Hailey Platz.
    Meine Nichte runzelte die Stirn, als würde sie sich die Details erst ins Gedächtnis rufen müssen. “Julia war schon zu Hause, als ich ankam. Ich konnte sehen, dass sie geweint hatte.” Sie deutete auf die Papiertaschentücher, die in der Küche verstreut lagen. “Deshalb fragte ich sie, ob alles in Ordnung sei, und sie sagte … sie sagte plötzlich, dass sie sterben wolle.”
    Ich konnte nichts dagegen tun. Ich keuchte auf, als ich die Worte hörte.
    “Julia sagte … sie sagte, dass alle sie anstarren würden. Das ist nicht wahr, Tante Lydia! Niemand sieht sie anders an als früher – sie
glaubt
nur, dass es so wäre.”
    “Ich weiß.” Und ich fragte mich, ob seit dem Überfall weitere Anzeichen darauf hingedeutet hatten, dass es Schwierigkeiten gab.
    “Als Mom ankam, fing Julia wieder davon an, dass sie sich umbringen wolle, und Mom rief Dad an. Er kam her und entschied, Julia in ein Krankenhaus zu bringen.” Mit zitternden Händen nahm sie die Tasse, nippte an ihrem Tee und schluckte schwer. Sie gab sich Mühe, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. Doch es fiel ihr nicht leicht. “Julia hat mich zu Tode erschreckt.”
    “Warum?”, fragte ich.
    “Ich glaube, sie hätte es tun können … Sie hätte sich wirklich umbringen können. Denn sie wirkte so verzweifelt, und ich denke … ich denke, sie hat es ernst gemeint. Darum habe ich im Laden angerufen. Ich war so erleichtert, deine Stimme zu hören. Ich … ich …” Sie schüttelte den Kopf, konnte nicht weitersprechen.
    “Du hast das Richtige getan”, sagte ich und versuchte, sie zu trösten.
    “Ich weiß.” Sie hielt ihre Tasse mit beiden Händen umklammert. “Es ist nicht fair, dass ein fremder Mann Julia so sehr verletzt hat.”
    “Nein, das ist es nicht”, stimmte ich zu.
    “Er hat ihr den Arm gebrochen, aber er hat ihr noch viel mehr angetan. Er hat
sie
gebrochen – das sagt Dad jedenfalls”, erklärte sie ernst. “Julia ist nicht mehr derselbe Mensch. Ich erkenne sie kaum wieder.”
    Auch ich hatte die Veränderung in Julia bemerkt, und ich verbrachte sehr viel weniger Zeit mit ihr als ihre Familie. Als es passiert war, schien schon der Angriff furchtbar genug zu sein. Doch da hatte ich noch keine Ahnung, wie weitreichend die Auswirkungen auf meine Nichte und meine Schwester noch sein würden.
    Zwei Stunden vergingen, bis das Telefon endlich klingelte. Hailey rannte zum Apparat und riss den Hörer von der Gabel. Sie warf mir einen Blick zu.
    “Tante Lydia ist hier bei mir”, sagte sie in den Hörer. Danach nickte sie einige Male. Schließlich sagte sie: “Okay”, und legte auf. Unvermittelt brach sie in Tränen aus. “Julia muss über Nacht im Krankenhaus bleiben – sie steht wegen Selbstmordgefahr unter Beobachtung.”

19. KAPITEL
    Alix Townsend
    “I ch möchte die Hochzeitstorte selbst backen”, sagte Alix. Sie blickte ihre zukünftige Schwiegermutter und Jacqueline an, die ihr am Tisch in Jacquelines Wohnzimmer gegenübersaßen.
    Alix hatte dieses Treffen so lange wie möglich hinausgezögert.
    Das letzte Mal hatte sie sich an dem Samstag, als sie mit Colette im Fitnessstudio gewesen war, auf eine Diskussion über die Hochzeit eingelassen. Susan hatte

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