Farm der Tiere - illustriert
sie, »ich habe dir etwas sehr Ernstes zu sagen. Heute morgen habe ich gesehen, wie du über die Hecke geschaut hast, die die Farm der Tiere von Fuchswald trennt. Einer von Mr. Pilkingtons Leuten stand auf der anderen Seite der Hecke. Und - ich war zwar ziemlich weit weg, doch ich bin mir fast sicher, es gesehen zu haben - er sprach mit dir, und du hast ihm sogar erlaubt, dir die Nase zu streicheln. Was hat das zu bedeuten, Mollie?«
»Hat er nicht! Hab ich nicht! Stimmt überhaupt nicht!« rief Mollie, bäumte sich auf und scharrte auf dem Boden.
»Mollie! Sieh mir ins Gesicht. Gibst du mir dein Ehrenwort darauf, daß dir der Mann nicht die Nase gestreichelt hat?«
»Stimmt überhaupt nicht!« wiederholte Mollie, doch sie konnte Kleeblatt nicht ins Gesicht sehen, und im nächsten Augenblick gab sie Fersengeld und galoppierte aufs Feld davon.
Kleeblatt hatte einen blitzartigen Einfall. Ohne den anderen etwas zu sagen, ging sie zu Mollies Box und stöberte mit ihrem Huf im Stroh. Unter dem Stroh verborgen lagen ein kleines Häufchen Würfelzucker und etliche Bündel verschiedenfarbiger Bänder.
Drei Tage später verschwand Mollie. Einige Wochen lang wußte man nichts über ihren Verbleib, dann berichteten die Tauben, sie hätten sie auf der anderen Seite von Willingdon gesehen. Sie stand zwischen den Deichseln eines eleganten, rot und schwarz gestrichenen Dogcarts, der vor einem Wirtshaus hielt. Ein fetter, rotgesichtiger Mann in karierten Knickerbockern und Gamaschen, der wie ein Schankwirt aussah, streichelte ihr die Nase und fütterte sie mit Zucker. Ihr Fell war frisch geschoren, und um die Stirnlocke trug sie ein hellrotes Band. Sie schien sich wohl zu fühlen, so sagten die Tauben. Keines der Tiere erwähnte jemals wieder Mollies Namen.
Der Januar brachte bitterkaltes Wetter. Die Erde war wie aus Eisen, und auf den Feldern konnte nichts getan werden. Es wurden zahlreiche Versammlungen in der großen Scheune abgehalten, und die Schweine beschäftigten sich damit, den Arbeitsplan für die kommende Saison zu erstellen. Es hatte die allgemeine Billigung gefunden, daß den Schweinen, die deutlich klüger waren als die anderen Tiere, die Entscheidung in allen Fragen der Farmpolitik anstand, wiewohl ihre Entscheidungen durch einen Mehrheitsbeschluß ratifiziert werden mußten. Diese Einrichtung würde auch gut funktioniert haben, hätte es nicht die Dispute zwischen Schneeball und Napoleon gegeben. Die beiden waren überall uneins, wo nur Uneinigkeit herrschen konnte. Machte der eine von ihnen den Vorschlag, auf einer größeren Anbaufläche Gerste zu säen, forderte der andere mit Sicherheit eine größere Anbaufläche für Hafer, und sagte einer von ihnen, daß dieses oder jenes Feld genau richtig für Kohl sei, erklärte der andere, daß es einzig und allein für Rüben tauge. Jeder hatte seine eigene Gefolgschaft, und es gab mehrere heftige Debatten. Bei den Treffen gewann Schneeball durch seine brillanten Reden oft die Mehrheit, doch Napoleon war geschickter darin, zwischenzeitlich für Unterstützung zu werben. Bei den Schafen war er besonders erfolgreich. Die Schafe hatten es sich in letzter Zeit angewöhnt, zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit »Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht« zu blöken, und damit unterbrachen sie oft das Treffen. Es fiel auf, daß sie gerade bei entscheidenden Stellen von Schneeballs Reden gern ihr »Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht« anstimmten. Schneeball hatte einige alte Nummern von »Landwirtschaft und Viehzucht«, die sich im Farmhaus fanden, intensiv studiert und steckte voller Neuerungs- und Verbesserungspläne. Er sprach gelehrt über Felderentwässerung, Silage und Thomasschlacke und hatte einen komplizierten Plan entworfen, demzufolge alle Tiere ihren Dung direkt auf den Feldern fallen lassen sollten, und zwar jeden Tag an einer anderen Stelle, um den Aufwand des Transports zu sparen. Napoleon legte keine eigenen Pläne vor, sondern meinte nur seelenruhig, daß die von Schneeball zu nichts führen würden, und schien im übrigen den rechten Augenblick abzuwarten. Doch von all ihren Kontroversen wurde keine so erbittert geführt wie die über die Windmühle.
Auf dem langen Weidestreifen, unweit der Farmgebäude, gab es eine kleine Hügelkuppe, die den höchsten Punkt der Farm bildete. Nach eingehender Prüfung des Terrains erklärte Schneeball, dies sei genau der richtige Fleck für eine Windmühle, durch die sich ein Dynamo antreiben und die Farm mit
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