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Faszination Menschenfresser

Faszination Menschenfresser

Titel: Faszination Menschenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Ludwig
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der großen Katzen zu verdienen.
    Diese gehören nach einer Studie der »World Conservation« zu den meistgefährdeten Menschen überhaupt. Folgt man der Studie, dann waren es in den Jahren 1984 bis 2000 die Fischer, die den höchsten Blutzoll entrichten mussten, dicht gefolgt von Holzfällern und Honigsammlern. Und so ist es kein Wunder, dass jeder hier einen Freund oder einen Verwandten hat, der schon einmal von einem Tiger angegriffen wurde.
    Und noch eine weitere Berufsgruppe hat in den Sundarbans immer wieder unter Tigerattacken zu leiden: Krabbenfischerinnen, die bis zu zehn Stunden täglich hüfthoch im brackigen Wasser der Sümpfe stehen und mit speziellen Schleppnetzen auf Beutefang gehen. Und neben den Tigern lauern noch weitere Gefahren auf die Krabbenfischerinnen. So registrieren die Behörden jedes Jahr etwa zehn tödliche Attacken von Leistenkrokodilen, die ebenfalls in großer Zahl in den Sundarbans vorkommen. Und oft beißt auch mal eine der zahlreichen Haiarten, die im Brackwasser der Mangrovenlandschaft leben, herzhaft zu. Die Haiangriffe, die zum Glück nur selten tödlich enden, sind so zahlreich, dass sie schon gar nicht mehr registriert werden. Ihre Tierwelt – Tiger, Krokodile, Haie, dazu auch noch Kobras und andere Giftschlangen – macht die Sundarbans zu einem der gefährlichsten Plätze der Welt. »Eigentlich sollten hier gar keine Menschen leben«, meint Dr. Pranabesh Sanyal , ehemaliger Direktor des Sundarban-Tigerreservats, »es ist einfach zu gefährlich.«
    Die Gründe, warum die Tiger in den Sundarbans sich gegenüber Menschen deutlich aggressiver als andere Tigerpopulationen verhalten, sind völlig unklar. Allerdings gibt es mehrere Theorien. Die gängigste besagt, dass das salzige Brackwasser die Tiger, die eigentlich frisches Wasser bevorzugen, in eine Art konstante Gereiztheit versetzt, die letztendlich zu einer erhöhten Aggressivität führt. Allerdings brachten künstlich angelegte Frischwasserseen, an denen die Tiger ihren Durst stillen konnten, keine Verbesserung der Situation.
    Andere Wissenschaftler sehen eher das hohe Aufkommen an unbestatteten menschlichen Leichen als mögliche Erklärung für die zahlreichen Tigerangriffe in den Sundarbans an. In den Elendsvierteln der Industriestädte, die an den Flüssen liegen, die letztendlich in die Sundarbans münden, leben nämlich zahlreiche Menschen, die so arm sind, dass sie sich noch nicht einmal das Holz für eine Feuerbestattung ihrer verstorbenen Angehörigen leisten können. Stattdessen werden die in Tücher gehüllten Leichname einfach dem Fluss übergeben und landen irgendwann in den Sundarbans, wo sie dann von Krokodilen oder eben Tigern verspeist werden. Und einmal an Menschenfleisch gewöhnt, scheuen die Tiger der Sundarbans dann nicht mehr davor zurück, den ohnehin leicht zu erbeutenden Menschen auch gezielt anzugreifen.
    Auch während des Vietnamkrieges wurden vermehrt Soldaten beider Seiten von Tigern getötet, die durch den Verzehr von Leichen im Kampfgebiet Appetit auf Menschenfleisch bekommen hatten.
    Ab 1986 setzten die Behörden auf einen ziemlich außergewöhnlichen Taschenspielertrick, um die Tigergefahr für die Menschen in den Sundarbans zu reduzieren. Die zuständigen Forstämter begannen nämlich damit, an Holzfäller und andere Menschen, die in den Sundarbans arbeiten müssen, billige Plastikmasken auszuteilen, auf denen ein bleiches menschliches Gesicht mit strahlenden Augen und einem dünnen Schnurrbart abgebildet war. Durch ein konsequentes Tragen dieser Masken auf dem Hinterkopf sollten angreifende Tiger, von denen bekannt ist, dass sie Menschen fast nur von hinten attackieren, so irritiert werden, dass sie von einer Attacke Abstand nehmen. Eine Zeit lang schien der Trick zu funktionieren. Die Zahl der tigerbedingten Todesfälle in den Sundarbans ging nach Einführung der Masken zunächst etwa um die Hälfte zurück. Doch bald schnellte die Zahl der Tigeropfer wieder nach oben. Die schlauen Großkatzen hatten den Trick durchschaut.
    Forstbedienstete dagegen schützen sich beim Aufenthalt im Wald mit Körperprotektoren aus Fiberglas, ähnlich denen, die die Athleten beim American Football tragen. Offensichtlich mit Erfolg – bisher wurde noch kein Mitarbeiter im »Astronautenanzug« attackiert.
    Auch mit erzieherischen Maßnahmen versucht man den Heißhunger der Sundarbantiger auf Menschenfleisch etwas einzudämmen. So wurden an markanten Stellen im Wald stromgeladene Puppen aufgestellt. Das

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