Fatal Error
der mir fremd war.
Ich fragte mich, wohin sie uns bringen würden. Wahrscheinlich irgendwo in einen Wald in Kent. Dort würden sie uns erschießen, aus dem Auto werfen und mit der Fähre auf den Kontinent fahren. Würden sie entkommen? Zu zweit waren sie wahrscheinlich ziemlich
findig. Gut möglich, dass sie es schafften.
Ich dachte an den Tod. An meine Eltern. Wie verzweifelt sie sein würden. An das, was ich im Leben erreicht hatte. Überrascht stellte ich fest, dass mir dabei als Erstes Ninetyminutes in den Sinn kam. Etwas Gutes immerhin. Dann wurde mir bewusst, dass das alles vorbei sein würde. Irgendwann im Laufe der nächsten Stunde würde alles vorbei sein.
Ich blickte Owen an. Er sah die Furcht in meinen Augen. Lächelte.
Ich versuchte, mich in den Griff zu bekommen. Die Freude wollte ich dem Scheißkerl nicht machen.
Lange Zeit saßen wir so da. Es erschien mir länger als zwanzig Minuten, aber ich verkniff es mir, auf die Uhr zu blicken, um Owen nicht zu provozieren. Er saß vollkommen unbeweglich da. Wenn er ungeduldig und nervös war, ließ er es jedenfalls nicht erkennen. Unverwandt ruhten seine Augen auf mir. Die Andeutung eines Lächelns lag auf seinem Gesicht, eines zufriedenen, selbstgefälligen Lächelns. Es gefiel ihm, dass ich vor ihm saß und Angst hatte. Er genoss es.
Dann ergriff Ingrid das Wort. »Owen«, sagte sie freundlich.
»Weißt du, du könntest uns laufen lassen. Ihr könntet euch leicht in Sicherheit bringen, ihr beiden. Wir würden die Polizei erst morgen früh verständigen.«
»Schnauze«, sagte er. »Versuch bloß nicht, mich einzuwickeln.«
»Hör mal, Owen ...«
»Ich hab gesagt, Schnauze!« Er hob die Waffe.
In diesem Augenblick hörte ich Guy auf der Treppe. Er nahm zwei Stufen auf einmal. Dann stieß er die Tür auf.
»Du hast dir Zeit gelassen«, sagte Owen.
»Komm«, sagte Guy, »gehen wir. Gib mir die Kanone. Ich halte sie in Schach.«
»Nein. Ich behalte sie.«
Guy griff nach der Waffe.
Owen zog sie weg. »Ich habe gesagt, ich behalte sie. Wenn jemand diese Arschlöcher umlegt, dann bin ich das.«
Einen Augenblick lang maßen sie sich mit Blicken. Owen dachte nicht daran nachzugeben. Guy zuckte mit den Achseln. »Von mir aus. Der Wagen steht draußen. Gehen wir.«
Owen winkte Ingrid und mir mit der Pistole. Wiederstrebend folgten wir Guy in den Flur hinaus und die Treppe hinunter. Owen immer zwei Schritte hinter uns.
Guy trat als Erster durch die Haustür auf die Straße. Alles war still. Ich blickte mich nach Owens schwarzem japanischen Geländewagen um, konnte ihn aber nicht entdecken.
»Wo ist das Auto?«, fragte Owen.
»Gleich um die Ecke«, erwiderte Guy und deutete zur anderen Straßenseite hinüber.
Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Zunächst explodierte die Welt in blendend weißer Helligkeit. Guy schrie »Runter!«. Er warf sich zu Boden und zog Ingrid mit sich. Als ich mich ebenfalls fallen ließ und mein Gesicht auf den rauen Straßenbelag presste, hörte ich den peitschenden Knall zweier Schüsse, dann einen Schmerzensschrei von Owen hinter mir und das Klappern der Pistole, als sie auf den Asphalt fiel.
Ich rollte mich auf die andere Seite und sah Owen auf der Fahrbahn liegen, die Hand nach der Pistole ausgestreckt. Sie war nur wenige Zentimeter von seinen Fingerspitzen entfernt. Rasch robbte ich hin und schnappte sie ihm weg. Von allen Seiten hörte ich schnelle Schritte näher kommen.
Die Pistole immer noch in der Hand, erhob ich mich und blickte auf Owen hinab, der in grellem Scheinwerferlicht lag. Das Blut strömte offenbar aus zwei Wunden, die eine in der Schulter, die andere in der Seite. Polizisten mit Gewehren, Pistolen und kugelsicheren Westen beugten sich über ihn. Rasch schwoll das Heulen einer Sirene an, als ein Rettungswagen auf uns zuhielt.
Ich wandte mich zu Ingrid um. Sie schien unverletzt zu sein, zitterte aber am ganzen Körper. Mit verstörter Miene wankte sie auf mich zu. Ich nahm sie in die Arme, und sie klammerte sich ganz fest an mich.
Guy stand hinter der Gruppe von Polizisten, die seinen Bruder umringten, und beobachtete, wie sie die Blutung zu stillen versuchten. Einen von ihnen erkannte ich: Detective Sergeant Spedding. Sekunden später kamen ihnen Sanitäter in grünen Overalls zu Hilfe. Nach wenigen Augenblicken lag Owen auf einer Trage und wurde in den Rettungswagen gehoben.
»Kommt er durch?«, fragte Guy Spedding, dessen Hände mit Owens Blut verschmiert waren.
»Er lebt noch. Zwar blutet
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