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Feindgebiet

Titel: Feindgebiet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Cole & Chris Bunch
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haben.«
    Avrenti enthielt sich einer Antwort.
    »Eigentlich dürfte es nicht allzu schwer sein«, sinnierte Derzhin. »Ich muss ihnen nur erzählen, dass sie hier sind, um für den Ruhm der Tahn zu arbeiten. Wenn sie spuren, werden sie damit belohnt, dass sie den nächsten Sonnenaufgang noch erleben. Falls sie sich widersetzen oder zu fliehen versuchen … sogar ein Imperialer muss diese Logik begreifen.«
    Wieder blieb Avrenti still.
    »Stimmen Sie mir zu, Major? Ist das die richtige Vorgehensweise? Ihnen ist militärisches Denken doch besser vertraut als mir.«
    »In diesem Fall bin ich Ihnen eine schlechte Hilfe«, antwortete Avrenti. »Ich kann mich nicht in einen Soldaten hineinversetzen, der sich in der Hand des Feindes befindet und sich nicht bei der erstbesten Gelegenheit selbst das Leben nimmt.«
    Derzhin hielt seinen Gesichtsausdruck und den Ton seiner Stimme neutral. »Da haben Sie selbstverständlich recht.« Dann öffnete er die Türflügel zum Balkon und trat hinaus.
     
    Polizeimajor Genrikh polterte in sein Quartier zurück; er war ziemlich außer sich und musste sich dringend abreagieren.
    Gerade als er die solide Holztür mit voller Wucht zuschlagen wollte, bekam er sich wieder in den Griff und zog sie statt dessen sanft ins Schloss. Dann zerrte er sich sein Offizierskoppel von Hüfte und Schultern und wollte es in die Ecke schleudern. Wieder hielt er sich zurück.
    Er war gerade Zeuge eines Alptraums geworden.
    Aber sollte er das wirklich glauben? Wie standen die Chancen, dass sein Quartier nicht abgehört wurde? Schlecht. Genrikh selbst hätte hier Wanzen eingebaut.
    Statt dessen hängte er sein Koppel sorgfältig über einen Stuhl, öffnete eine Vitrine, holte eine Flasche heraus, untersuchte sie genau, ob etwa der Pegel markiert war, nahm einen tiefen Schluck und ließ sich auf das Feldbett fallen.
    Das konnte ja heiter werden.
    Dann munterte er sich wieder auf. Hatte man ihn nicht vorzeitig gewarnt? Hatte man ihn nicht darauf vorbereitet? Zunächst durch Lord Wichmans Kontakt, dann, als er gebührend, wenn auch sehr geheim von der Anwesenheit des Lords selbst geehrt wurde.
    Trotzdem.
    Genrikh schabte mit den Zähnen am Flaschenhals, was ein sehr unschönes Geräusch hervorrief. Sein halbes Leben hatte er im professionellen Strafvollzug zugebracht. Er wusste, wie man mit Unterwesen umging, die Straftaten begingen. In seinen Augen war all das eine Straftat, was der Wesensart der Tahn widersprach, die wiederum er als das definierte, was ihm sein gegenwärtiger Vorgesetzter befahl.
    Genrikhs Mutter war eine Hure, sein Vater ein Fragezeichen. Sein Phantasien hatten sich seit jeher darum gedreht, dass sein Vater ein aufstrebender Offizier war, der sich aus einer erzwungenen Heirat in das kurze Glück jener Stadtviertel flüchtete. Was nicht hieß, dass er seine Mutter als Märchenprinzessin sah – doch Genrikhs Träume zeichneten sich nicht gerade durch logische Zusammenhänge aus.
    Genrikh wuchs in dem Bewusstsein auf, ein Außenseiter zu sein, und in der Angst, dass eines Tages jemand seine Herkunft aufdecken und überall ausplaudern würde, wer, er wirklich war. Und wirklich wurde er von seinen Kumpanen verachtet – dafür, dass er der erste war, der sich gleich mit jedem neuen Grobian gemein machte, dass er sofort bereit war, auch die kleinste Unregelmäßigkeit zu melden, dass er der erste war, der sich für jede von einem Vorgesetzten angekündigte Aufgabe sofort freiwillig meldete.
    Er war der ideale Strafvollzugsbeamte.
    Trotz seiner Besessenheit mit der Moral anderer, hatte Genrikh keine Probleme, innerhalb des Gefängnissystems alle Annehmlichkeiten zu genießen. Auf seine eigene, beschränkte Weise war er ein zutiefst unmoralisches Wesen.
    Man muss nicht eigens betonen, dass er im Gefängnissystem der Tahn sehr rasch aufstieg, so rasch, dass man ihn für größere Aufgaben auswählte. Noch vor dem Krieg hatte der Rat der Tahn mit Besorgnis festgestellt, dass unter den ausgebeuteten Arbeitern eine Art von Gewerkschaft am Entstehen war, und sie hatten keinen Moment an der Notwendigkeit gezweifelt, die Bewegung und damit jeden, der nicht ihre eigenen Interessen vertrat, zu vernichten.
    Genrikh war stets die erste Wahl als Vorsitzender für eine firmeninterne Gewerkschaft, als Streikbrecher oder auch als Informant.
    Doch sogar die sich in einem frühen Entwicklungsstadium befindenden Gewerkschaften des Tahn-Systems wussten, dass jeder, auf den Genrikhs Beschreibung passte, Ärger bedeutete

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