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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Entscheidungsqualen abnehmen sollten. »Wenn sie bloß nicht so aufmerksam zuhören würden«, hatte sich ein Dozent beklagt, nachdem er in seiner Vorlesung über »Die Mechanik des soziopolitischen Maschinenbaus« eine Stunde lang gegen die militaristischen Exzesse der heutigen Demokratie gewettert hatte. »Sie vermitteln einem den völlig falschen Eindruck, als hätten sie die konkreten Bedingungenunter denen sie von den Medien manipuliert werden, verstanden, und dann liefern sie Aufsätze ab, die ihnen ohne weiteres Peregrine Worsthorne diktiert haben könnte.« Der Professor für Positive Kriminologie konnte ihm das gut nachfühlen. Seine Bemühungen, die Studenten davon zu überzeugen, daß Mord, Vergewaltigung und sonstige Gewaltverbrechen, die sich gegen Personen richteten, Formen des sozialen Protests und als solche kaum anders zu bewerten seien als Einbruch, Banküberfall und Betrug, waren so hoffnungslos gescheitert, daß er zweimal Besuch von der Polizei bekam, die Beschwerden von Studenten nachging, die ihn der Anstiftung zu Gewalttaten bezichtigt hatten. »Manchmal glaube ich, wir würden in einer Versammlung des Montags-Clubs ein offeneres Ohr finden. Zumindest gäbe es dort gewisse Kontroversen. Aber meine Studenten schreiben einfach alles auf, was ich von mir gebe, und spucken es dann mit Schlußfolgerungen wieder aus, die so gravierend von den meinen abweichen, daß ich annehmen muß, sie denken, ich hätte es ironisch gemeint.«
    »Falls sie überhaupt denken«, sagte der Dozent. »Meiner Ansicht nach sind sie von Kindesbeinen an so kräftig indoktriniert worden, daß sie überhaupt nicht in der Lage sind, abstrakt zu denken.«
    In dieser Atmosphäre der Enttäuschung auf seiten des Lehrkörpers und des Strebertums auf seiten der Studenten stand – häufiger schritt die außergewöhnliche Gestalt von Waiden Yapp, Professor für Proletarische Geschichtsschreibung, für jenes Image der rigorosen Gleichheit aller, dessen sich Kloone zu rühmen gehofft hatte. Ideologisch gesehen war seine Abstammung über jede Kritik erhaben. Sein Großvater, Keir Yapp, war beim Rückmarsch von Jarrow tot umgefallen, und seine Mutter hatte als Teenager als Aushilfskellnerin bei der Internationalen Brigade gearbeitet, bevor sie von Francos Truppen festgenommen, vergewaltigt und in ein Nonnenkloster gesperrt wurde. Ihre nächtliche Flucht im Pferdekarren, ihre Fahrt als reisende Leprakranke über Sevilla nach Gibraltar, wo man sie, da sie eine gesundheitliche Bedrohung darstellte, nicht an Land ließ, und ihr verzweifelter Versuch, in die Freiheit zu schwimmen, der damit endete, daß ein sowjetisches Truppentransportschiff sie auffischte und nach Leningrad brachte – all das hatte Elizabeth Hardy Yapp in den Kreisen der extremen Linken legendären Respekt verschafft. Überdies hatte sie die Regierung in den ersten zwei Kriegsjahren öffentlich als kapitalistischen Kriegstreiber angeprangert und nach dem Kriegseintritt Rußlands die Schützenhilfe der Regierungspropaganda und ihre eigenen schauspielerischen Talente benutzt, um Fabrikarbeiter dazu anzutreiben, Hitler zu Fall zu bringen und bei den nächsten Wahlen eine Labour- Regierung zu wählen.
    Im Anschluß an eine überaus emotionale Ansprache in Swindon hatte sie einen Mann namens Ernest kennengelernt, zu heiraten erwogen und war schwanger geworden. Wie so vieles in ihrem stürmischen Leben war auch diese Bindung von kurzer Dauer gewesen. Durch die feurige Redegabe seiner Geliebten – und möglicherweise durch die Vorstellung, ihr bis an sein Lebensende zuhören zu müssen – zu unmäßiger Kampflust aufgestachelt, hatte Ernest, ein überaus geschickter Werkzeugmacher in gesicherter Stellung, seinem Land keinen großen Dienst erwiesen, als er sich freiwillig meldete und sich bei der erstbesten Gelegenheit erschießen ließ. Miss Yapp hatte seinen Tod auf ihre Liste sozialer Ungerechtigkeiten gesetzt und die Aura, die den Namen Yapp in Jarrow noch immer umgab, dazu benutzt, sich einen festen Labour-Sitz im Parlament zu sichern. Als »Rote Beth« hatte sie ihren Wahlkreis mit einem von praktischen Erwägungen so völlig ungetrübten Extremismus vertreten, daß ihr Ruf nie durch das Angebot eines Regierungspostens beschmutzt wurde. So ließ sie sich auch keine Gelegenheit entgehen, die Führer ihrer eigenen Partei des Klassenverrats zu bezichtigen und das Fußvolk als Kapitalisten zu entlarven, während sie gleichzeitig dafür sorgte, daß Waiden die bestmögliche

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