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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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wurden. Verletzte ist vielleicht der falsche Ausdruck. Denn nachdem sie ihre wohlverdiente Ladung erhalten hatten, lag ein glückseliges Grinsen auf ihren Gesichtern.
    »Halleluja!« und »Claudandus, errette uns!« erschallte es von allen Seiten, während der Meister mit seinem salbungsvollen Reden auf diese Irren einredete und sie noch irrer machte.
    Wahrlich, wahrlich, dieses tolle Treiben war jenseits von Aristocats! Eine Sekte, die einem gewissen Claudandus huldigte und die sich seinetwegen an saftigen Elektroschocks erbaute. Da sollte doch noch jemand behaupten, da ß die Natur seit Bernhard Grzimek und Jacques Cousteau keine Geheimnisse mehr in sich berge!
    Claudandus ... Ein Name, der wie die Faust aufs Auge zu einem Heiligen pa ß te. Doch was war seine ursprüngliche Bedeutung? Meine Lateinkenntnisse waren sehr verkümmert seit der unseligen Zeit, als Gustav in einem finanziellen Engpa ß schwachköpfigen Quartanern, die mit ihren Gedanken mehr bei ihren ersten Onanierabenteuern waren, Nachhilfestunden erteilt hatte. Aber irgendwo in einer mit Spinnweben verhangenen Kammer meines Hirns fand ich nach einiger Mühe schließlich das lateinische Wort »claudere«, welches für »schließen« stand. Wenn »claudere« der Infinitiv war, mu ß te »claudatus« das Partizip Perfekt Passiv sein, was »geschlossen« bedeutete. Und wenn man von »claudere« das Gerundivum nahm, als das passive Verbaladjektiv, das ausdrückt, da ß etwas getan werden mu ß oder soll, kam »claudandus« heraus, was ungefähr »einer, der geschlossen werden mu ß oder soll« heißen mu ß te.
    Einer, der geschlossen werden mu ß oder soll - in diesem Lichte betrachtet, wiederum doch ein höchst merkwürdiger Name für einen Heiligen oder, der wirren Ansprache des Priesters zufolge, für einen Märtyrer. Und welche grausamen, mythischen Qualen hatte dieser ominöse Claudandus auf sich genommen, dass daraus eine Sekte entstanden war? Eins war für mich klar: Wer zu solch einem destruktiven Verhalten in der Lage war, der sprang auch nicht zimperlich mit seinem Nächsten, schon gar nicht mit seinem religiösen Gegner oder mit jemandem, der diesen Glauben verspottete, um. Kurz, dieser übergeschnappte Haufen war zu allem fähig, schon gar zu einem Mord.
    Erhärtet wurde diese Theorie durch ein weiteres Detail, welches ich allerdings nur ganz allmählich wahrnahm. Seitdem ich hier oben stand, wurde ich immer eindringlicher von einer sonderbaren Erregung erfa ß t, so da ß ich mittlerweile vollkommen aufgewühlt war. Es dauerte eine Weile, bis ich registrierte, da ß diese Reaktion nicht allein auf die Wirkung der gespenstischen Szene zurückzuführen war, sondern mehr auf den allgegenwärtigen chemischen Gestank, den diese Räume abstrahlten. Ohne Zweifel, der Geruch hatte eine gefühlsintensivierende, aufputschende Wirkung auf meine Rasse, wahrscheinlich auch auf Menschen. Er stellte sozusagen das gasförmige Pendant zu Weckkaminen dar. Man konnte sich also leicht vorstellen, da ß jemand, scharfgemacht durch diese aggressive Zeremonie und aufgeputscht von dieser Chemikalie, Dinge tat, die er im normalen Zustand keinesfalls tun würde.
    Alles hätte sich mit dieser genialen Theorie wie von selbst geklärt, wenn sie nicht einen kleinen Schönheitsfehler gehabt hätte. Da ß Kong und seine obligatorischen Spießgesellen Herrmann und Herrmann sich unter den Claudandisten befanden, wunderte mich eigentlich kaum. Denn so wie Fliegen aus einem Umkreis von Hunderten von Kilometern von einem Scheißhaufen angelockt werden, wurde dieses Unglückstrio stets von allem Üblen angezogen. Es war sozusagen ihre Bestimmung, sich in Scheiße zu tummeln. Und so standen sie denn auch in einer der mittleren Reihen und warteten geduldig, bis sie ihre Tollkühnheit beziehungsweise ihre perverse Frömmigkeit unter Beweis stellen konnten.
    Derjenige, der jedoch überhaupt nicht in dieses schaurige Bild pa ß te, war Blaubart! Er hockte im weitentlegensten, dunkelsten Winkel des Raumes und schwang seinen Kopf im Rhythmus der Gesänge und Gebete hin und her. Wegen seiner vielfältigen Gebrechen wollte er offensichtlich nicht riskieren, da ß er in der wogenden Masse zerquetscht oder überrannt wurde. Aber man merkte ihm an, dass der Hokuspokus von seinem ganzen Wesen Besitz ergriffen hatte und er sich ebenfalls in Trance befand.
    Diese erstaunliche Beobachtung warf meine ausgeklügelte Hypothese insofern über den Haufen, als ich mir Kamerad Blaubart überhaupt nicht

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