Felidae
gedacht, da ß in diesem Herrn Saubermann ein heimlicher Genießer steckte.«
»Ich habe eine Idee«, sagte ich. »Befiehl dem Computer, die Rassen der Mordopfer herauszusuchen.«
»Nicht schlecht«, freute sich Pascal. Er war jetzt in seinem Element. Das Vergnügen darüber, endlich einen ebenso enthusiastischen Mitspieler gefunden zu haben, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Obwohl er die Antworten schon kannte, weil er die Daten ja selbst eingegeben hatte, huschte seine Pfote mit rasender Geschwindigkeit über die Tastatur.
Nach wenigen Sekunden servierte uns der Computer das Ergebnis, welches oben in einem gelben Kästchen aufleuchtete:
NAME RASSE
ATLAS: Europäisch Kurzhaar
TOMTOM: Europäisch Kurzhaar
FELIDAE X: Europäisch Kurzhaar
SASCHA: Europäisch Kurzhaar
DEEP PURPLE: Europäisch Kurzhaar
»Alle fünf keine besonders vornehmen Vertreter von Felidae«, schmunzelte Pascal.
»Aber immerhin noch eine weitere Gemeinsamkeit«, entgegnete ich trotzig.
»Das, lieber Freund, beweist gar nichts, weil es sich bei der Europäisch Kurzhaar um die verbreitetste Rasse auf der ganzen Welt handelt. Ich möchte es mal so ausdrücken: die Europäisch Kurzhaar ist unsere Standardausführung! Ich schätze, siebzig Prozent des Distriktes gehören dieser Art an.«
Er hatte recht. Doch mein Instinkt sagte mir, da ß auch an meiner Theorie etwas dran sein mu ß te.
»Merkwürdig ist es trotzdem. Alle Opfer männlich, brünstig und Europäisch Kurzhaar.«
»Nein, nicht alle.«
Sein Gesicht verfinsterte sich mit einem Mal. Aus den lächelnden Augen verschwand jede Heiterkeit.
»Ich bin nämlich noch nicht dazu gekommen, das sechste Opfer einzutragen.«
»Was für ein sechstes Opfer?«
Ich verstand gar nichts mehr. Sollte mir Blaubart schon wieder etwas verschwiegen haben? Ohne mir eine Antwort zu geben, bediente Pascal erneut ein paar Tasten. Der Computer suchte eine Weile und spuckte dann die Liste der Artgenossen aus, deren Namen mit F anfing.
Ein schrecklicher Gedanke begann in meinem Kopf zu rumoren. Doch ich wollte lieber sterben, als diesen zu Ende zu denken. Nein, diese Vorstellung war einfach absurd, denn sie stellte jede Logik auf eine perverse Art auf den Kopf.
Das Grauen folgte auf der Stelle. Pascal hielt die kontinuierlich nach oben rollende Liste bei dem Namen Felicitas an und begann diese Einheit mit Hilfe der Tasten rot zu färben.
»Felicitas?« Ich lachte hysterisch.
Pascal verzog keine Miene und fuhr bedächtig mit seiner Arbeit fort.
»Ja, leider auch Felicitas.«
»Nein, nein, Pascal. Das ist unmöglich. Du bringst da einiges durcheinander. Ich habe noch vor einer halben Stunde mit ihr gesprochen. Sie schien mir sehr lebendig.«
»Man hat es mir aber erzählt, kurz bevor du und Blaubart gekommen seid.«
»Wer hat es dir erzählt?«
»Agathe. Sie ist eine Streunerin und kommt viel herum.«
»Und warum hast du mich nicht gleich davon unterrichtet?«
»Ich wollte unsere erste Begegnung nicht mit solch einer grausamen Nachricht eröffnen.«
»Aber wann und wie ... «
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das offene Dachfenster ... Ihr Besitzer hatte mit mir gemeinsam die Wohnung verlassen, um seine morgendlichen Besorgungen zu erledigen. Danach war sie ganz allein gewesen.
Plötzlich schossen mir die Tränen in die Augen. Warum? Weshalb? Was für einen Grund gab es, diese ohnehin schon genug mi ß handelte armselige Kreatur umzubringen?
Ich sprang vom Tisch hinunter und rannte aus dem Haus. Draußen übermannte mich das irrationale Gefühl, da ß Pascals Worte nicht wahr seien. Er hatte eine andere Felicitas gemeint. Ja, so mu ß te es sein. Ich hatte die Macht, den Lauf der Welt rückgängig zu machen, wenn ich mich nur mit eigenen Augen von Felicitas' Existenz überzeugen würde.
Ich lief kopflos auf den Gartenmauern entlang. Meine Augen suchten verzweifelt nach einer Aufstiegsmöglichkeit zu den Dächern. Alles um mich herum, so schien mir, wirbelte an mir vorbei wie abgerissene Kalenderblätter, die man in die Luft geschleudert hatte. Dort - eine Feuerleiter! Ich hetzte sie hinauf und befand mich total außer Atem wieder in der Dachlandschaft. Keine Pause jetzt - ich mu ß te sie sehen, mu ß te sie unbedingt sehen. Denn sie war nicht tot. Dieser Gedanke in meinem Kopf wurde immer mehr zu einer schizophrenen Gewi ß heit.
Endlich erreichte ich das Dachfenster, das immer noch offen stand. Mit wild klopfendem Herzen steckte ich meinen Kopf
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