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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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durch das Fenster und blickte hinab.
    Es war wie eine Szene in einem Horrorfilm. Der adelige Opa saß auf dem Schaukelstuhl und weinte sich die Augen aus dem Gesicht. Vor seinen Fü ß en Felicitas - der Kopf vom Körper fast vollständig abgetrennt. Der Mörder hatte diesmal mit besonders drastischer Brutalität zugeschlagen. Denn er hatte nicht nur den tödlichen Nackenbi ß angebracht, der seinen Zweck schon erfüllt hätte, sondern noch weiter am Hals gerissen und gestochert, als sie schon längst nicht mehr lebte. Aus dem Körper war so viel Blut auf den Teppich geflossen, da ß der Eindruck entstand, als schwimme Felicitas in diesem roten Saft. Sicher wollte dieses Ungeheuer ihr den Kopf abreißen, als es plötzlich die Schritte des Alten gehört hatte und mit einem außergewöhnlichen Sprung durch das Dachfenster geflohen war. Felicitas' blinde Augen waren weit aufgerissen, als habe sie sich sogar angesichts des Todes nichts sehnlicher gewünscht, als etwas zu sehen.
    So viel Ha ß , so viel Krieg, so viel Böses auf der Welt! Mit gutem Grund hatte sie sich vor »da draußen« stets gefürchtet. Denn da draußen waren die anderen, die Mörder! Trotz meines desolaten Zustandes war ich felsenfest davon überzeugt, da ß ich bei Pascal mit meiner Theorie richtig gelegen hatte. Der Mord an Felicitas unterschied sich nämlich nur insofern von den übrigen fünf Morden, weil sie eine Zeugin war. Sie wurde umgebracht, weil sie mir vielleicht noch wichtige Dinge mitteilen wollte.
    Plötzlich überlief mich ein eiskalter Schauer. Die Schlu ß folgerung aus diesen Überlegungen lautete, da ß ich die ganze Zeit von jemandem beschattet worden war. Der Mörder war alles andere als ein wildgewordener, sabbernder Irrer. Er war außergewöhnlich intelligent und wollte auf keinen Fall, da ß man in seine Pläne hineinpfuschte.
    Ich betrachtete Felicitas, sah ihr silbern glänzendes Fell, das mit Blutspritzern besudelt war, sah ihre grün schimmernden Augen, in denen ich die Sehnsucht nach dem sichtbaren Leben lesen konnte, ich sah all dieses verfluchte Unrecht und schwor Rache. Wer auch immer das getan hatte, der sollte auch so umkommen wie Felicitas!

Fünftes Kapitel
     
     
    Die Alpträume gewannen eine grausamere Note hinzu.
    In einem katatonischen Gefühlszustand, für Außenreize absolut unempfindlich und von einer unbeschreiblichen Trauer erfüllt, war ich wie ein Schlafwandler heimgekehrt. Der Zorn, der kurz in meinem Herzen aufgeflackert war, war nun in Resignation und Depression umgeschlagen. Eine merkwürdige Müdigkeit hatte sich meiner bemächtigt, und ich hielt es für angebracht, mich erst einmal für ein paar Stunden aufs Ohr zu legen.
    Begleitet von Richard Strauß' Vier letzte Lieder , glitt ich sogleich in einen finsteren Traum, als ich das Schlafzimmer betreten und es mir notdürftig auf einem Kissen gemütlich gemacht hatte. Der Ort, an dem ich mich plötzlich befand, war wie aus einem Endzeit-Film: Die Welt war ganz offensichtlich untergegangen, Folge einer A-Bombe oder durch einen bakteriologischen Krieg - wer wu ß te das schon so genau? Lediglich die kümmerlichen Überreste einer Zivilisation, falls sie je eine gewesen war, stachen dem Betrachter ins Auge. Es dauerte eine Weile, bis ich registrierte, da ß es sich bei dieser Trümmerstätte um unseren Distrikt handelte. Von den liebevoll renovierten Häusern waren nur noch Ruinen geblieben. Sie waren demoliert, verrottet und teilweise sogar zerbombt. Riesige Löcher klafften in den Fassaden, hinter denen schreckliche Geheimnisse zu wohnen schienen. Das Absonderlichste aber waren die Pflanzen. Wie ein sich unaufhaltsam fortbewegender, alles überdeckender Schleimteppich war die ganze Gegend von einem hartnäckigen Grün überwachsen, das schlingpflanzenartig noch in die engste Ritze Zugang gefunden hatte. Als ich mich etwas genauer umsah, stellte ich fest, da ß es Erbsenpflanzen von gigantischem Ausmaß waren. Einfach verrückt, doch Träume wurden nun mal nicht von der Vernunft entworfen. Die Menschen hatten offenbar ihr Gastspiel im großen Evolutionstheater beendet und die Bühne für Erbsenpflanzen freigemacht. Die Szene erinnerte mich irgendwie an Dornröschen , nur mit dem Unterschied, da ß es nicht einmal mehr schlafende Menschen gab.
    Nachdem ich mich an dem unwirklichen Szenario sattgesehen hatte, tapste ich ohne ein bestimmtes Ziel über die Gartenmauern, die in dieser untergegangenen Welt wie die Rudimente eines buddhistischen Tempels

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