Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
Vom Netzwerk:
Ausdrücken bestimmt besser aus als ich. Was mich angeht, so bin ich mehr für das Grobe.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte ich. Er zog den unsichtbaren Kreis, in dem wir uns gegenseitig belauerten, unmerklich enger, wobei er die Intensität seines hypnotisierenden Starrens verstärkte. Er wartete nur auf den Moment, in dem ich auch nur den leisesten Anflug von Schwäche zeigen und den Blick von ihm abwenden würde. Dann würde er sich auf mich stürzen und seine Fangzähne blitzschnell in meinen Nacken stoßen. Doch statt Schwäche präsentierte ich ihm mein blendendes Eitler-Geck-Lächeln, eine ausgeklügelte Kombination aus herablassender Ironie und reservierter Drohung. Man mu ß te diese Burschen im Ungewissen lassen, das war die einzig wirkungsvolle Taktik.
    »Na ja, du bist eben derjenige, der hier die Drecksarbeit macht, nicht wahr?« fuhr ich fort. »Einer mu ß sich ja für die gute Sache opfern und Ordnung in das Gemeinschaftsgefüge bringen. Sonst geht womöglich die Welt unter. Ordnung, das ist dein Leitspruch. Du stehst ganz oben und darunter versammeln sich in der richtigen Reihenfolge alle die, die deine Wünsche respektieren, sich von dir kontrollieren lassen und dich als King, Entschuldigung, als King Kong akzeptieren. Und wenn ein Neuling, obendrein so ein ›Eitler Geck‹ wie ich, dein Reich betritt, da müssen ihm erst mal die Spielregeln erklärt werden, stimmt's? Und selbstlos, wie du nun einmal bist, übernimmst du natürlich auch diese lästige Aufgabe. Bei deinem pädagogischen Talent kapieren es die meisten auch ungeheuer fix, von welcher Sorte die Hausordnung ist, nämlich von der - wie war das eben? - groben. Doch das genügt dir nicht. Du möchtest, da ß die Neuen deine zehn Gebote gleich von Anfang an gewissermaßen verinnerlichen. Deshalb ist zu Beginn die wichtigste Lektion fällig: Parierst du nicht, kann es extrem schmerzhaft für dich sein, so schmerzhaft, da ß du vielleicht nie wieder der alte sein wirst. Habe ich die Sachlage richtig erfa ß t?«
    Er grölte begeistert. Wo er ging und stand, er mochte seinen goldigen Humor nicht missen - ein wahrer Gentleman!
    »Ja, ja, ja, du hast es erfa ß t, Bruder! So viel Verständnis für mein Anliegen habe ich bis jetzt noch nirgends gefunden. Du bist wirklich ein Ausbund an Intelligenz. Darum freue ich mich, gleich dein Blut schmecken zu dürfen.«
    Draußen war inzwischen ein tobendes Gewitter losgegangen. Das Blitzen und Donnern hatte Weltuntergangsqualität und lieferte die entsprechende Begleitmusik zu unserer merkwürdigen Unterhaltung. Kong verlangsamte sein Drehtempo immer mehr und kam mir gefährlich nahe. Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, und es kam die primitive Fratze des Rüpels zum Vorschein. Auch mir war jetzt nicht mehr nach Witzereißen zumute.
    »Kong«, sagte ich streng. »Findest du nicht, da ß wir mit diesem albernen Spiel aufhören und uns mit ernsthaften Dingen beschäftigen sollten?«
    »Na klar. Mit was denn zum Beispiel?«
    »Dieser Distrikt wird von unsäglichem Grauen heimgesucht. Schreckliches passiert. Täglich wird einer der Unsrigen umgebracht, kaltblütig ermordet. Ein Monstrum geht hier um und killt auf Teufel komm raus. Möchtest du mir nicht helfen, diesen Wahnsinnigen zu suchen?«
    »Du brauchst ihn nicht mehr zu suchen. Ich kann dir verraten, wer es ist.«
    »So? Wer ist es denn?«
    »Na ich! Der Mörder steht vor dir!«
    »Und warum mordest du?«
    "Tja, warum? Na, weil diese Typen alle 'ne dicke Lippe riskiert haben, so wie du.«
    Er war noch primitiver, als ich ihn eingeschätzt hatte. Der Neandertaler par excellence.
    »Sei mir nicht böse, Kong, das kaufe ich dir nicht ab. Ich meine, du bist schon ein gewaltiger Kotzbrocken, aber einen Mord traue ich dir einfach nicht zu. Dein Motiv klingt wenig überzeugend, weißt du.«
    »Du wirst schon noch früh genug merken, wie überzeugend ich bin.«
    »Ach, mein Freund, wenn es denn unbedingt sein mu ß , dann mu ß es eben so sein. Ich mache dich jedoch darauf aufmerksam, da ß dir diesmal die Schützenhilfe von deinen beiden Unteraffen fehlt. Mann gegen Mann, ob du das wohl durchstehst?«
    »Irrtum!« prustete er los und warf einen triumphierenden Blick auf die Luke. Wie auf ein Zeichen quetschten daraufhin Herrmann und Herrmann ihre regennassen Rattenvisagen durch die Maueröffnung und grinsten mich verschlagen an. Ich hätte wissen müssen, da ß ein General ohne seine Armee keinen Krieg anfängt.
    »Ist das fair?« fragte ich.

Weitere Kostenlose Bücher