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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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plötzlichen Dahinfahren beziehungsweise Verschwinden die Augen aus dem Kopf weinen und vor Gram wochenlang das Bett hüten würde. Aber auch dieser Schmerz würde allmählich nachlassen, die Wunden der Erinnerung würden sich verschließen. Und wer weiß, vielleicht würde schon zwei oder drei Monate später ein anderer mein E ß geschirr benutzen, sich von »meinem besten Freund« hinter den Ohren kraulen lassen und dabei vor Vergnügen genü ß lich furzen. Wie hatte doch der verehrte Zombie Deep Purple in meinem schaurig-schönen Traum gesprochen? So oder so ist das Leben, so oder so ist die Welt!
    Was tat ich, Rindvieh, eigentlich da? Ich tat etwas, was ich niemals getan hatte: nämlich resignieren! Ob aus Angst, Erschöpfung oder beginnender Senilität, darüber war ich mir nicht im klaren. Doch es war kaum zu übersehen, da ß all die sich überstürzenden, grauenvollen Ereignisse, die hinter mir lagen, anfingen, aus mir einen anderen zu machen. Dies mu ß te ich mir wohl oder übel eingestehen. Das Rezept gegen diese schleichende Krankheit bestand in einem kräftigen: Haltung bewahren! Sich zusammennehmen! Mut zeigen!
    Ich passierte bange pochenden Herzens die Luke und sprang in einen finsteren Korridor, der meine Vermutung hinsichtlich meines Aufenthaltsortes zu bestätigen schien. Offenkundig war ich in einem unterirdischen Grabsystem, einer sogenannten Katakombe, gelandet. Ehrlich gesagt hielt sich meine Verblüffung in Grenzen, obwohl das einzige, was ich intellektuell mit Gustav teile, die Begeisterung für die Archäologie ist. Wie oft saß ich ganze Tage schwelgend über seinen prächtigen Bildbänden und historischen Büchern über Altertümer und ausgestorbene Reiche und Kulturen. Doch es war nun einmal kein Wunder, da ß ein Land, dessen Geschichte so weit zurückreicht und welches so unterschiedliche Völker und Epochen beherbergt hatte, zuweilen mit derartigen überraschenden Funden aufwartete. Die Erforschung der Katakomben zum Beispiel, die vergessen waren und erst im 16. Jahrhundert neu entdeckt worden sind, ist ja keineswegs abgeschlossen. Man hat nicht nur christliche, sondern auch gnostische und jüdische Katakomben entdeckt, in Rom haben sie insgesamt eine Länge von hundertfünfzig Kilometern.
    Was speziell meine Entdeckung betraf, so wagte ich die Mutmaßung, da ß dort oben, wo sich gegenwärtig die Gärten erstreckten, früher einmal, höchstwahrscheinlich im Mittelalter, entweder eine Kirche oder ein Kloster gestanden hatte. Aus unerfindlichen Gründen hatte man später den in den Tag emporragenden Teil der Baulichkeit sauber abrasiert, den unteren Gebäudekomplex jedoch unversehrt gelassen. Der Schacht, der mich hierhin befördert hatte, mu ß te demnach zur Versorgung der Unterwelt mit Frischluft errichtet worden sein.
    Der steinerne Korridor, dessen Wände mit patinaüberzogenen, fast unkenntlichen frühchristlichen Miniaturen und Heiligenmalereien verziert waren, führte mich zu weiteren Gängen, so da ß ich binnen kurzem den Eindruck gewann, mich in einem unüberschaubaren Labyrinth zu befinden. In die Mauern waren viele Grabnischen eingelassen, in denen sich verkrümelte Überreste von menschlichen Skeletten befanden. Einige der Grabnischen jedoch verhinderten den Blick auf ihren Inhalt durch gewichtige, mit Bibelinschriften versehene Steinplatten. Bisweilen wurde der Weg von umgekippten Gemäuerpartien oder einzelnen, herabgestürzten Gesteinsbrocken versperrt, über die man hinüberklettern mu ß te. Oft war auch die gesamte Decke heruntergekommen, und ich mu ß te, um überhaupt weiter zu gelangen, erst mal nach einer Lücke fahnden. Vermutlich waren diese Art Verwüstungen die Folge von Erdbeben oder Bombendetonationen im Zweiten Weltkrieg. Alles in allem aber glaubte ich, da ß mein Fund mit seinen allzu braven Kostbarkeiten in der archäologischen Fachwelt kaum für eine Sensation gesorgt hätte. Ich lag wohl vollkommen richtig mit meiner Annahme, dass diese geheimnisvolle Anlage einstmals der Sitz eines kleinen unbedeutenden Ordens gewesen war.
    Nichtsdestotrotz versagte die Katakombe nicht ihre Wirkung. Ich wandelte wie in Trance durch den steinernen Irrgarten und rechnete damit, jeden Moment von dem finsteren Perser angefallen zu werden. Durch Risse im Gemäuer sickerte Regenwasser hinein, und die auf dem Boden aufschlagenden Tropfen echoten einer verschrobenen Musik gleich um die Wette. Von lähmender Furcht, aber auch von Faszination ergriffen, durchstreifte ich eine

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