Felidae
danach einen zurecht. Ich mu ß sagen, das ist nicht der Klugscheißer Francis, den ich kennengelernt habe.«
So, nun hatte er es mir aber gegeben. Natürlich konnte er nicht über die Dinge Bescheid wissen, die ich entdeckt hatte, nachdem Kong & Co sich von mir verabschiedet hatten. Er konnte einfach nicht wissen, wie greifbar nah ich der Lösung war, da ß ich nur noch einige wenige Knoten zu entwirren brauchte, um den Schlächter auffliegen zu lassen. (Glaubte ich zumindest!) Auch hatte er von der Existenz des grauenhaften Tagebuchs keine Ahnung. Doch dieser Teil der Geschichte mu ß te ihm sehr schonend beigebracht werden, da er auf eine tragische Weise mit seinem verstümmelten Leben zusammenhing. Kurzum, er täuschte sich gewaltig in mir.
»Blaubart, es tut mir leid, wenn du den Eindruck gewonnen hast, da ß ich hier untätig rumsitze oder mich mit Weibern amüsiere. Ich versichere dir, dein Eindruck ist völlig falsch. Ich habe vergangene Nacht Dinge in Erfahrung gebracht, von deren Existenz niemand hier im Revier je etwas geahnt hat. Schreckliche Dinge, die uns jedoch auf unserer Suche nach der Bestie weiterbringen. Ich werde dir meine Erlebnisse zu einem späteren Zeitpunkt erzählen, weil ich gegenwärtig selbst nicht ganz durchblicke. Aber beantworte mir vorher ein paar Fragen. Zuerst das Allerwichtigste: Wo hält Joker sich augenblicklich auf?«
Es schien, da ß ich ihn von meinem Eifer und guten Willen überzeugt hatte, und seine Entrüstung wich allmählich einer reservierten Aufmerksamkeit. Nichtsdestotrotz blieb eine Spur abwartender Skepsis in seinem Gesicht. Er räusperte sich umständlich, bevor er etwas sagte.
»Joker? Na, der alte Knabe wird wohl zu Hause hocken und seine nächste Bibelstunde vorbereiten. Was sollte er bei dem Wetter auch sonst anstellen?«
»Wo ist sein Zuhause?«
»Sein Besitzer hat einen Laden für Porzellan und kostbare Gläser, der ziemlich weit abseits im Distrikt liegt. Das Gebäude ist Lager, Geschäft und Wohnung zugleich. Ich nehme an, dass Joker jetzt irgendwo dort ist.«
»Okay. Ich werde gleich Pascal einen Besuch abstatten. Währenddessen wirst du zu Joker marschieren und ihm ausrichten, da ß ich und Pascal ihn wegen der Mordsache zu sprechen wünschen. Wenn er sich bockig anstellen sollte, was abzusehen ist, bringst du ihm ruhig, aber entschieden bei, da ß wir in diesem Falle leider Kong verklickern mü ß ten, ein gewisser Joker hätte seine geliebte Solitaire gekillt. Wir treffen uns dann alle bei Pascal.«
»Scheiße nein! Joker?«
»Es ist nur ein Verdacht, höchstwahrscheinlich ein unbegründeter. Wie dem auch sei, du mu ß t ihm richtig Angst einjagen. Verstanden?«
»Verstanden!«
»Zweite Frage: Ich habe heute v ormittag die Bekanntschaft einer Dame gemacht, deren Rasse mir vollkommen fremd ist. Auch ihr Verhalten gab Anla ß zu vielerlei Spekulationen. Ihr Pelz ist sandfarben, und ihre Augen sind von einem glühenden Gelb ...«
»Ich kenne die Mischpoke.«
»Sie sind so zahlreich?«
»Scheiße ja. Scheint 'ne Zucht zu sein, die besonders hoch im Kurs steht. Bald ist das ganze Revier voll von diesen aufgeblasenen Wichtigtuern. Jedes Jahr lassen sich die bescheuerten Menschen etwas noch Bescheuerteres einfallen, wie sie unsere Art veredeln können. Aber mit dieser Brut haben sie sich diesmal ans eigene Bein gepi ß t.«
»Was meinst du damit?«
»Sie sind nicht wie wir. Na ja, irgendwie habe ich den Eindruck, als sei bei ihnen während der ganzen verdammten Züchterei die Domestikation auf der Strecke geblieben. Diese Neuen, sie sind wilder, abweisender, ja gefährlicher.«
»Wie Raubtiere?«
»Nicht ganz. Sonst würden die Menschen ja kalte Füße kriegen, sie zu beherbergen, nicht wahr. Manchmal denke ich, sie spielen nur den braven Hausgenossen, um ihr Futter zu bekommen, das warme Dach überm Kopf zu behalten und ansonsten in aller Ruhe ihre finsteren Pläne verfolgen zu können. Dreckige Egoisten. Ich weiß auch nicht genau, was es mit diesen Viechern auf sich hat. Jedenfalls pflegen sie selten Kontakt zu uns, und ich kann sie nicht ausstehen. Was willst du noch erfahren?«
»Vorläufig reicht mir das. Wir wollen uns jetzt an die Arbeit machen und sie hinter uns bringen, bevor es dunkel wird.«
Da Gustav wegen der Kälte ausnahmsweise alle Türen und Fenster verschlossen hatte, suchten wir ihn im Wohnzimmer auf und baten ihn maunzend, uns ins Freie zu lassen. Bis auf die Stuckarbeiten an der Decke war die Renovierung dieses Raumes
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