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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Gedankenaustauschs auf morgen verschieben, damit ich mir wenigstens ein paar Krümel an Selbstachtung bewahren kann.«
    Es war inzwischen Abend geworden, und durch die Glasfront hinter meinem schwarzhaarigen Lehrmeister sah ich, da ß sich eine gespenstische Finsternis über die verschneiten Gärten gelegt hatte, die sogar den romantisch herabschwebenden Schneeflocken alles Helle raubte. Plötzlich hatte ich die skurrile Idee, da ß die von der Farbe Schwarz dominierte Szene, in der ich mich befand, eine Art Negativkopie meines letzten Traumes sei.
    Pascal bemerkte meinen entrückten Blick und schüttelte schmunzelnd den Kopf.
    »O nein, mein Freund, du bist der wahre Klugscheißer. Nur du wirst den entscheidenden Geistesblitz zur Lösung dieses Rätsels beitragen. Ich besitze vielleicht Sachverstand und eine Gabe zu nüchternem Denken, aber es fehlt mir die Inspiration. Und ohne die ist jedes Genie aufgeschmissen. Die schlimmste Plage unserer Zeit sind die vielen Halbtalente, die sich so maßlos überschätzen. Ich jedenfalls weiß, wo ich stehe.«
    Ich wollte protestieren, doch da sah er unvermittelt an mir vorbei und erhob sich mit unnahbarer Miene vom Kissen, als habe er hinter meinem Rücken etwas erblickt, das sein Mi ß fallen erregte. Ich drehte mich schnell um und sah einen in einen unförmigen Schneeball verwandelten Blaubart laut schnaufend zur Tür hereinhumpeln. An den Haarspitzen seines Felles hingen ansehnliche Eiszapfen, und seine Nase glühte wie eine reife Tomate. In Pascals Gesicht glaubte ich eine Mischung aus Verärgerung und Verzweiflung zu bemerken, die vom unachtsamen und derben Verhalten des Eindringlings herrühren mochte.
    Der behinderte Eskimo hinterließ mächtige Matschspuren und kleine Wasserlachen auf dem frisch gebohnerten Parkettboden. Als Gipfel der Rücksichtslosigkeit machte er genau vor uns halt und schüttelte sich kräftig den Schnee aus dem Fell, so dass nicht nur der Fußboden, sondern auch wir kräftig berieselt wurden. Pascal stöhnte leise und schüttelte unmerklich den Kopf. Doch dank seines elefantösen Wahrnehmungsvermögens bekam Blaubart davon natürlich nichts mit. Unser Gastgeber ging auf das skandalöse Eindringen nicht ein und schwieg wieder in bewährter Manier.
    »Wo ist Joker?« fragte ich ihn schließlich rundheraus, weil ich diese unerträgliche Spannung nicht aushielt.
    »Nicht da. Verschwunden.«
    »Was heißt verschwunden?«
    Er hockte sich auf seinen patschnassen Hintern und schüttelte sich erneut.
    »Ich bin durch ein offenes Kellerfenster ins Haus eingestiegen. Hab die Klitsche von oben bis unten nach Ehrwürden durchsucht. Sogar in dieses verdammte Lager im Dachgescho ß bin ich eingedrungen, was 'ne ziemlich gruselige Angelegenheit war. Die Regale dort bersten nämlich von Porzellanfiguren, die uns in Lebensgröße darstellen. Auch Tiger, Jaguare und Leoparden türmen sich da aufeinander. Alles aus Porzellan und täuschend echt. Aber von Joker keine Spur. Na, daraufhin hab ich nach ihm gerufen und gerufen und mir dabei fast die Stimme ruiniert. Als das nichts nützte, hab ich mich noch in der Nachbarschaft umgehört. Alle sagten, sie hätten ihn seit der letzten Sitzung nicht mehr gesehen.«
    »Ermordet!« kreischte ich.
    »Nein, verschwunden«, sagte Pascal kühl. »Er wu ß te, da ß du nahe dran warst, ihn zu schnappen und hat sich Hals über Kopf aus dem Staub gemacht. Das sieht unserem teuflischen Joker ähnlich.«
    »Klar, das pa ß t zu diesem Kotzbrocken!« bestätigte Blaubart.
    »Verflucht noch mal, nein!« Ich wurde von kalter Wut überwältigt. »Ich weigere mich einfach, eine so billige Lösung zu akzeptieren.«
    »Du brauchst sie nicht zu akzeptieren«, tröstete Pascal. »Sie ist nur eine der Möglichkeiten. Zur Zeit und unter den gegebenen Umständen aber scheint sie die wahrscheinlichste zu sein. Wie auch immer, zumindest wissen wir jetzt, da ß Joker bis zum Hals in diese geheimnisvolle Geschichte verstrickt war.«
    »Der war's!« papageite Blaubart wichtigtuerisch. »Allein diese scheinheilige Fresse, die er dauernd zur Schau trug. Obwohl ich den Claudandus-Hokuspokus immer treudoof mitgemacht habe, habe ich dieser Papstimitation nicht von hier bis da getraut. Schuldig, sag' ich!«
    Pascal konnte meine Enttäuschung nicht mehr mit ansehen. Er stieg vom Kissen herunter und kam ganz nah an mich heran.
    »Wieso wehrst du dich so sehr gegen diesen Ausgang, Francis? Warum haderst du mit Gegebenheiten, die unabänderlich sind und,

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