Felidae
augenblicklich jedenfalls, keinen anderen Schlu ß zulassen?«
»Weil sie nicht stimmen, nicht miteinander harmonieren. Die Informationen, die ich zusammengetragen habe - seien sie auch noch so unvollständig -, deuten nicht unbedingt darauf hin, da ß Joker als Mörder in Frage kommt. Das Ganze ist wie ein zum Verkauf ausgestelltes Gemälde, dessen Echtheit alle Fachkundigen beteuern, obwohl es in Wirklichkeit eine Fälschung ist.«
Nachdem wir noch eine Weile hin und her diskutiert hatten, beschlossen Pascal und ich, in den folgenden Tagen mittels des Computers die Anzahl der bisher Ermordeten zu spezifizieren und herauszufinden, welche Artgenossen am längsten im Distrikt lebten. Anhand dieser Liste würden wir dann andere Verdächtige herausfiltern und diese einem Verhör unterziehen. Darüber hinaus ließ sich vielleicht eine Regelmäßigkeit feststellen, mit der der Mörder zuzuschlagen pflegte. Wenn diese Arbeiten erledigt waren, wollten wir mit allen Bewohnern des Reviers eine Versammlung abhalten, sie über unseren Wissensstand informieren und sachkundige Warnungen aussprechen. Wiewohl auch ich immer mehr zu der Annahme neigte, da ß es sich bei unserem Schlächter um den so geschickt entwichenen Joker handelte, wollte ich nichts unversucht lassen, meinem (bis jetzt) unfehlbaren Instinkt eine Chance zu geben.
Am späten Abend verabschiedeten Blaubart und ich uns von Pascal und machten uns bei klirrender Kälte auf den Weg nach Hause. Es hatte mittlerweile zu schneien aufgehört, dafür aber war ein unbarmherziger Frost eingetreten.
»Du solltest auf deinen Arsch besser achtgeben«, brummte Blaubart, während wir im Schnee auf den Gartenmauern nach Hause stapften.
»Wie meinst du das?«
»Na, so wie die Dinge liegen, läuft diese Bestie noch frei herum. Wahrscheinlich hat er sich irgendwo verschanzt. Gemütlich hinterm warmen Ofen furzen ist nicht mehr, und er wird auch starke Probleme haben, seinen Wanst vollzukriegen. Er wird böse Rache an dem nehmen wollen, der ihm die Tour vermasselt hat. Scheiße, ja!«
»Ich habe keine Angst«, log ich. »Außerdem bin ich nicht der einzige Detektiv, der ihm auf die Schliche gekommen ist. Er hat den Ärger ebenso gut Pascal zu verdanken.«
»Ach, der ...« Blaubart machte ein teilnahmsloses Gesicht. »Nach dem, was du erzählt hast, überfällt der Mörder nur diejenigen, die sich in sexueller Weiterbildung engagieren. Der gute Pascal aber ist kastriert. Und im übrigen, tja, also er wird es sowieso nicht mehr lange machen.«
»Wieso nicht?«
»Er hat Krebs, ich glaube Darmkrebs. Der Pferdedoktor hat ihm nur etwas länger als ein halbes Jahr gegeben.«
Ich gab ihm darauf keine Antwort und ließ mir auch sonst mit keiner Geste anmerken, da ß mich die Nachricht wie eine Dumdumladung getroffen hatte. Es war merkwürdig, aber ich hatte das Gefühl, als sei dieses vernichtende und unabänderliche Urteil über einen Freund gesprochen worden, mit dem ich aufgewachsen war, den ich von Kindesbeinen an kannte. Plötzlich wurde mir mit erschütternder Deutlichkeit bewu ß t, wie intensiv ich mich zu Pascal hingezogen fühlte und wie sehr ich ihn als Gefährten, mehr noch als einen unverzichtbaren, lieben Zwillingsbruder brauchte. Ja, wir waren wie Zwillinge, sowohl in geistigen als auch in Dingen des Geschmacks, ein Duo, das perfekt aufeinander eingespielt war. Und nun würde er sich verabschieden, bevor die schönen gemeinsamen Abenteuer überhaupt angefangen hatten. Ich Idiot, hatte ich doch in der Hektik der mörderischen Geschehnisse glatt vergessen, da ß Gevatter Tod gewöhnlich keine gewaltsamen Heimsuchungen veranstaltete, sondern seine klammen Finger in der Regel ganz langsam und leise nach den Lebenden auszustrecken pflegte. Er war ein großer Schweiger, der im Hintergrund still in sich hineinlächelte und immer wieder auf die Uhr sah und weiter lächelte.
Den Rest der Strecke sprachen Blaubart und ich kein einziges Wort mehr. Die wieder neu entdeckte Einsicht darein, da ß der Tod nicht allein in den schauerlichen Taten des Mörders anwesend war, sondern immer und überall, hatte uns zum Schweigen gebracht. Und indem Pascal sterben würde, würde auch in mir etwas sterben. Es hatte bereits angefangen.
Neuntes Kapitel
Die folgenden anderthalb Wochen bestanden einerseits aus vertrackter Gripsakrobatik, andererseits aus süchtigmachendem Vergnügen - und endeten mit einer unfa ß bar bitteren Überraschung, die alle vorangegangenen in den Schatten
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