0688 - Der Kult
Der Mann hatte sich einem Taxi anvertraut und in die Vororte bringen lassen. Hier erlebte er das andere London, das gediegene, das ruhige. Kein Massenverkehr, eine bessere Luft, auch ein klarerer Himmel. Die Verbindung zur City stellten U-Bahnen und Busse dar.
Auch in Vororten gibt es kleine Zentren, die der Mann vermied. Er hielt sich an den Rändern, wo nur wenige Häuser standen und erste, kleine Bauernhöfe erschienen.
Die Landschaft war kultiviert worden. Flache Felder und Wiesen zeichneten sich ab. In der Dunkelheit lagen sie oft wie düstere Felder von Schachbrettern, getrennt durch Zäune oder Hecken.
Der Mann blieb stehen, als er eine schmale Straße erreichte, die nach Norden führte. Hohe Pappeln säumten die Ränder und machten sie zu einer kleinen Chaussee.
Über das rauhe Pflaster rollten um diese Zeit nur wenige Fahrzeuge. Ab und zu fuhr auch ein Radfahrer vorbei, dann verschwand der Mann hinter irgendeinem Baum.
Er hatte sich zuvor erkundigt und wußte, daß er eine bestimmte Strecke laufen mußte, um sein Ziel zu erreichen. Das Gehöft lag einsam, inmitten der Felder. Es wirkte so, als hätte man es kurzerhand dorthin gestellt und dann vergessen, es abzuholen.
Der Wind war sanft und brachte einen frischen Geruch von Blüten und Frühling mit.
Die Lippen verzogen sich zu einem bösen Lächeln, als der Mann daran dachte, durch was dieser Geruch bald abgelöst werden würde. Denn auch der Tod hatte einen bestimmten Geruch. Er roch zwar nie gleich, aber wer den Tod kannte, konnte ihn immer wieder anhand seines Geruches identifizieren.
Der Mann sprang mit einem Satz über den Straßengraben. Seine Füße versanken für einen Moment in der weichen, noch feuchten Erde, bevor er sich in Bewegung setzte und sein Ziel ansteuerte.
Es gab zwar einen schmalen Trampelpfad, der zum Gehöft hinführte, den wollte er nicht nehmen.
So ging er quer über die wilde Wiese, die ihm bis zu den Waden reichte.
Am Himmel schien der Mond. Sein Licht war blaß und glänzte wie ein Scheinwerfer, der nicht voll ausgeleuchtet war.
Der Mann ging weiter. Er orientierte sich nicht nur anhand der dunklen Gehöftumrisse, er behielt auch das Licht im Auge, das in einem Nebengebäude brannte.
Ein matter Schein füllte zwei kleine Fenster aus und verlor sich schon sehr bald, so daß er den Boden kaum erreichte. Im Gesicht des Mannes bewegte sich nichts. Nur der Wind fuhr gegen ihn und spielte mit den Schößen des Mantels.
In der Dunkelheit hatte die Entfernung etwas getäuscht. Er brauchte länger, um sein Ziel zu erreichen. Dicht davor passierte etwas, was ihn ärgerte.
Aus dem flachen Bau hörte er die Geräusche. Das Blöken der Schafe, das Meckern der Ziegen.
Es hätte eigentlich normal sein können, aber nicht in dieser Lautstärke. Die dort eingeschlossenen Tiere schienen zu merken, daß etwas Furchtbares auf sie zukam.
Mit jedem Schritt, der ihn näher an den Stall heranbrachte, verstärkte sich die Unruhe der Tiere.
Nervosität, Angst und Hektik erfaßten sie. Schafe und Ziegen verließen sich noch auf ihren Instinkt, sie wußten genau, wann sie ruhig sein konnten und wann ihnen Gefahr drohte.
So wie jetzt…
Vor den Stallungen war das Gras niedergetrampelt worden. Ein stechender Geruch umgab das Gebäude. Urin und Kot der Tiere stanken eben so. Er dachte auch an einen Hund, der sicherlich hier irgendwo umherlief, aber noch konnte er ihn nicht sehen. Er hörte auch kein Bellen.
Wo steckte das Tier?
Die Stalltür war nur wenige Schritte von ihm entfernt. Das flache Wohnhaus mit dem weit vorgezogenen Dach lag auf der rechten Seite. Die Fenster sahen aus wie Augen.
Daneben befand sich eine Tür.
Er hielt den Atem an, als plötzlich das Quietschen an seine Ohren drang.
Dann hörte er das Hecheln.
»Los, Blacky, such!«
Die Stimme des Mannes war noch im Haus erklungen. Der Schäfer hatte nur seinen Hund losgeschickt, er mußte die Unruhe seiner Schafe und Ziegen gehört haben.
Der Mann bewegte sich blitzschnell. Drei Schritte brachten ihn in den Schatten der Hauswand, mit dem er verschmolz. Der Hund fand ihn trotzdem. Mit langen Sprüngen jagte er auf ihn zu. Die Rasse konnte der Mann nicht erkennen, er hatte sich inzwischen auf andere Dinge konzentriert und eine Waffe unter dem Mantel hervorgeholt, wie man sie im Dschungel benutzte, um sich den Weg freizuschlagen.
Es war eine Machete!
Davon ahnte das Tier nichts. Es hetzte heran, sein Maul stand offen, die Zunge schlug schwappend hervor.
Das Tier bellte
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