Felidae
Beteiligten zusammenkommen. Ich mu ß te bei diesem Gedanken lächeln, weil dabei vor meinem geistigen Auge immer ein Bild wie aus einer Ansichtskarte erschien: Joker, wie er an einem karibischen Strand jauchzend umherstreunte und leckere Meeresfrüchte aus den Wellen herausfischte.
Dann endlich war es soweit, und ich erwachte am Morgen des 24. Dezember aus einem unruhigen Schlaf, der mit einer Art Potpourri aus all den schauderhaften Eindrücken der letzten Wochen durchseucht gewesen war. Als ich mi ß gelaunt und zerfahren zu einem leidenschaftslosen Buckel ansetzte, konnte ich nicht ahnen, da ß dieser Tag der wichtigste in meinem bisherigen Leben werden sollte. Ein Tag, an dem ich mehr über mich selbst, meine Art und die weiße, schwarze, letztendlich aber immer wieder graue Welt lernen würde, als in den Tagen, in denen ich mich mit hochphilosophischen Dingen beschäftigt hatte. Ich sollte all dies unglaublich schnell lernen, denn ich hatte einen exzellenten Lehrer - es war der Mörder.
An besagtem Morgen wurde ich durch schallendes Gelächter aus dem Nachbarzimmer und das Geklirre, welches entsteht, wenn Gläser aufeinanderstoßen, geweckt. Ich blickte mich perplex um, denn ich war vorige Nacht derart erschöpft und ausgelaugt von der letzten Arbeitssitzung heimgekehrt, dass ich nicht einmal wu ß te, wo ich mich danach hingelegt hatte.
Meine Augen nahmen nun ein Schlafzimmer wahr, doch ich war mir nicht mehr so sicher, ob ich mich im richtigen Haus befand. Dann aber sah ich die inzwischen ausgemalten Samurais an der Wand und erriet, was mir während der Computerspiele entgangen war. Die Renovierung unseres Spukschlö ß chens war beendet. Der Platz, an dem ich mich zum Schlafen niedergelegt hatte, war ein sogenanntes Futon, also so was ähnliches wie eine Matratze, worauf normalerweise ein Japaner zu pennen pflegt, falls ein Japaner bei dem pausenlosen Zusammenmontieren von Walkmännern und CD-Playern überhaupt zum Pennen kommt. Asiatisch ging es auch in den übrigen Bereichen des Raumes zu. Entlang der Wände gab es seidenpapierbespannte Paravents und auf Bambushockern plazierte chinesische Lampen mit Drachenmotiven, die besinnlich vor sich hin glühten. Was hatte das alles zu bedeuten? War Gustav nun vollkommen übergeschnappt? Würden wir künftig von einem Gong aufgeweckt? Oder vom säuselnden Singsang einer Geisha?
Archibald! Natürlich, dieser wandelnde Zeitgeist! Dieses trendsettende Vakuum! Dieser geschniegelte Hampelmann, dessen Fäden von irgendwelchen Möchtegernkünstlern mit unaussprechlichen Namen und unaussprechlichen Wohnorten gezogen wurden, die sogar die Form ihrer Klosettschüssel zu einer Lebensphilosophie erhoben. Er hatte Gustav vollkommen verdorben, hatte ihm jeden erdenklichen Ramsch eingeredet, der in diesen affigen Yuppie-Zeitschriften unter der hochtönenden Rubrik »Lifestyle« zu finden war. Armer Gustav, für das Abstottern des Kredits für diesen elenden Mist mu ß te er bestimmt bis zu seinem hundertzwölften Lebensjahr hundertzwölftausend »Frauenromane« schreiben. Andererseits hatte Archie mit Gustav leichtes Spiel gehabt, da es an dessen Geschmack ohnehin nicht viel zu verderben gegeben hatte. Denn wäre die Alternative nicht ein schreiend buntes Horrordekor aus einem Versandhauskatalog gewesen? Ganz gewi ß sogar! Ich schüttelte resigniert den Kopf. Mein Lebensgefährte war nun einmal so oder so keine große Leuchte, damit musste ich mich endgültig abfinden.
Während ich den Gestank von frisch aufgetragener Holzfarbe inhalierte, schlurfte ich in den Flur hinaus, darauf gefa ß t, irgendwo im Wohnzimmer einer alten amerikanischen Musikbox zu begegnen. Und wahrhaftig, Archies Gestaltungstips taten aber auch dem abgeschmacktesten Klischee Genüge. Neben einer kleinen bogenförmigen Bar, die ein riesiger, etwas abwärts geneigter Spiegel überragte, stand das gute alte Stück und gab irgendein »virtuoses« Saxophongequake von sich - als ob Gustav wü ß te, wie ein Saxophon aussieht.
Durch die offenstehende Tür sah ich die beiden glücklichen Renovierer mitten im Zimmer stehen und sich mit nichts Geringerem als Champagner zuprosten. Dabei blickten sie sich stolz im Raum um und genossen seine Kahlheit, die der in Karl Lagerfelds Wohnzimmer in nichts nachstand. Lediglich ein feuerwehrrotes Sofa und ein Granittischchen, dessen Form sich jeder geometrischen Bezeichnung entzog, standen verloren in einer finsteren Ecke herum. Nur in einem Punkt hatte Gustav seine
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