Alles kam ganz anders
Bei uns zu Hause
Mein Name ist Elaine Grather. Meinen französischen Vornamen habe ich meiner Urgroßmutter zu verdanken. Sie ist nämlich gebürtige Französin und in der ganzen Familie so beliebt – um nicht zu sagen geliebt – daß es für meine Eltern eine Selbstverständlichkeit war, mir ihren Namen zu geben.
Als ich sechzehn Jahre alt war, erbte ich ein Haus. Ja, ein ganzes Haus, ein entzückendes Haus in der Lüneburger Heide. Da sind wir eingezogen, meine Eltern, mein Bruder Marcus, mein Hund Bisken und unser Kater Anton. Papa, der Filmfotograf ist, gelang es, sich so einzurichten, daß er jedenfalls für ein Jahr in Norddeutschland bleiben konnte – natürlich öfters unterbrochen von Reisen in die seltsamsten Ecken der Welt. Plötzlich kommt er nach Hause und erzählt, daß er nächste Woche die Affen auf Gibraltar filmen soll, ein andermal muß Mama mitten im Sommer seine dicksten Wintersachen rausholen, weil er auf Grönland den Auftrag hat. Eskimos aufzunehmen. Aber zwischendurch kommt er nach Hause, redigiert seine Filme, kümmert sich um Haus und Garten und macht kürzere Filmfahrten an die Nordseeküste, um Seehunde aufzunehmen, oder zur Kieler Woche.
Vor allem macht er Natur- und Tierfilme. Ab und zu darf ich mitfahren als Scriptgirl, wenn ich zufällig Schulferien habe.
Als ich sechzehneinhalb war, habe ich mich verlobt. Ich war also „noch ein Kind“, wie meine Eltern und mein Herzallerliebster unbarmherzig betonten. Also, wenn ich verlobt sage, bedeutet es nicht eine offizielle Verlobung mit Zeitungsanzeige, Ringen, Verlobungsfeier und so was. Es bedeutet nur, daß mein Ingo und ich uns lieben und fest entschlossen sind zu heiraten, so bald es praktisch möglich ist. Das heißt, wenn ich mit meiner Ausbildung fertig bin, und wenn mein Ingo eine feste Anstellung und am liebsten auch ein hübsches Doktortitelchen bekommen hat. Er ist Archäologe und weiß so unheimlich viel, daß ich mir ganz klein und dumm vorkomme.
Trotzdem liebt er mich, verstehe es, wer kann!
Ingo wohnt in Lübeck. Dort habe ich ihn und seine Mutter mehrmals besucht. Ja, und seinen Hund natürlich! Dem haben wir zu verdanken, daß wir uns überhaupt kennenlernten. Ein kleiner Hund und eine große Liebe rutschten gleichzeitig in mein Leben und machten mich zu einem unsagbar glücklichen Menschen!
Ich habe auch selbst einen Hund. Er ist der Sohn von Ingos Cora, ein seltsam aussehendes Resultat von Coras ganz illegaler Liebe zum Nachbarhund! Er heißt Bisken, das ist ein norwegischer Hunde-Kosename und bedeutet soviel wie „Hündchen“ oder „kleiner Wauwau“.
Meine Eltern sind nämlich Norweger. Ja, eigentlich sind Marcus und ich es auch, aber wir sind beide in Deutschland geboren und haben immer hier gewohnt, mit dem Resultat, daß Deutsch unsere Sprache geworden ist. Norwegisch spreche ich mangelhaft, aber dafür kann ich gut Französisch, weil wir sehr oft in der Französischen Schweiz waren, im Wallis, wo wir liebe Verwandte haben. Vor allem meine schon erwähnte, einmalige Urgroßmutter.
Ich habe drei Hobbys: Tiere, Reiten und Töpfern. Im Garten haben wir ein kleines Extrahäuschen, das eigentlich während des Krieges als Behelfsheim errichtet wurde. Papa hat es eigenhändig angebaut und renoviert, dort hat er jetzt einen Arbeitsraum mit Schneidetisch. Vorführapparat und was ein Filmfotograf sonst braucht. Und ich habe eine kleine Töpferwerkstatt, in der ich Weihnachtsgeschenke und Geburtstagsgeschenke eigenhändig herstelle.
Im Nachbardorf gibt es einen Reitstall. Ich habe mich mit dem Sohn des Besitzers angefreundet, und wenn nicht gerade Touristensaison ist, darf ich oft ganz billig reiten – ja, sogar ab und zu ganz umsonst, wenn die Pferde bewegt werden müssen. Dafür helfe ich beim Füttern und Striegeln, beides macht mir einen Heidenspaß. Wenn Not am Mann ist, kann ich auch beim Ausmisten helfen!
Ich liebe Pferde. Am allerschönsten ist es, allein auszureiten – nur das Pferd und ich, ganz allein! Dann fühle ich, wie wir uns verstehen, wir sind eine Einheit, wir sind einander gut. Früher, als wir in Frankfurt wohnten, nahm ich Reitunterricht, viele Schüler und Schülerinnen ritten in der großen Reitbahn. Nie war ich allein mit meinem Pferd. Hier auf dem Lande war es anders – und viel, viel schöner!
Und somit wären wir also bei meinem dritten und größten Hobby: den Tieren.
Die Tierliebe habe ich von Papa geerbt. Unser herrlicher Bernhardiner Barry, der vor einem Jahr
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