Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
stellte auch Peter vor, und ich bot ihm ein Lächeln und ein Kopfnicken an. Aus irgendeinem atavistischen Impuls, wahrscheinlich hervorgerufen durch die Tatsache, dass ich mich in Hampstead befand, versuchte ich, ihm die Hand zu schütteln, aber er entfernte sich bereits in Richtung eines soeben eingetroffenen neuen Gastes, den er lautstark begrüßte. Barbara schaute ihm mit einem schwer zu deutenden, buddhamäßigen Lächeln hinterher, das auf die Einnahme verschreibungspflichtiger Medikamente schließen ließ, aber als sie sich wieder zu mir umdrehte, war ihr Blick fokussiert und klar.
»So«, sagte sie. »Sind Sie bereit?«
Zu allem, hätte ich fast gesagt – aber ich entschied mich für ein schlichtes Ja. Dennoch hielt ich ihren Blick wahrscheinlich einen winzigen Moment zu lange gefangen. Jedenfalls erinnerte Barbara sich plötzlich an die Flasche Mineralwasser, die sie in der Hand hielt, und gab sie mir, wobei sie leicht errötete und zaghaft lächelte. »Sie können nachher mit uns in der Küche noch ein Bier trinken«, versprach sie. »Wenn ich Ihnen jetzt eins gebe, pochen die Kinder auf gleiche Rechte.«
Ich hob die Flasche, als wollte ich ihr zuprosten.
»So …«, sagte sie erneut. »Eine Stunde Vorstellung, dann eine Stunde Pause, während die Kinder essen – und danach machen Sie noch eine halbe Stunde weiter. Ist das in Ordnung?«
»Eine einleuchtende Taktik«, gab ich zu. »Napoleon hat sie auch in Qatre-Bras erfolgreich angewandt.«
Das erzeugte einen Lacher, so mager er auch ausfiel. »Wir werden uns die Vorstellung nicht ansehen können«, sagte Barbara und mimte halbwegs überzeugend Bedauern. »Hinter den Kulissen gibt es eine Menge zu tun – einige von Peters Freunden übernachten. Aber wir können uns vielleicht zum Finale reinschleichen. Wenn nicht, dann sehen wir uns in der Pause.« Mit einem konspirativen Lächeln machte sie den Abgang und überließ mich meinem Publikum.
Ich ließ den Blick durch den Raum wandern und verschaffte mir einen Eindruck der Versammelten. Da gab es eine Gruppe der coolen Leute, die Peter umlagerte und sich in einem lautstarken Gespräch erging, das den gesamten Raum beherrschte. Dann war da eine Gruppe der Außenseiter, die aus vier oder fünf kleineren Grüppchen bestand, die sich vorwiegend an den Wänden des Raums herumdrückten und gelegentlich versuchten, sich ähnlich einer umgekehrten Zellteilung mit der In-Gruppe zu vermischen – und dann war da Stiefbruder Sebastian.
Er war leicht zu erkennen: Ich hatte ihn bereits identifiziert, während ich noch dabei war, meinen Tapeziertisch aufzustellen und alles für meine Eröffnungsnummer bereitzulegen. Er hatte das blonde Haar seiner Mutter, aber seine blassere Haut und seine wässrig blauen Augen ließen ihn aussehen, als hätte ihn jemand mit Pastellfarben gemalt und anschließend versucht, ihn wieder auszuradieren. Er sah erheblich kleiner und zierlicher aus als Peter. Vielleicht, weil er der Jüngere der beiden war? Es war schwer zu sagen, weil ihm seine in sich gekehrte, auf Unauffälligkeit bedachte Haltung wahrscheinlich zwei bis drei Zentimeter raubte. Er war derjenige am Rand des angeberischen Geplappers, der vom Geburtstagskind gerade eben so geduldet und von dessen Freunden bösartig ignoriert wurde. Er war derjenige, der bei sämtlichen Insiderwitzen außen vor blieb und aussah, als gehörte er gar nicht dazu und wäre viel lieber ganz woanders. Wahrscheinlich bei seinem leiblichen Vater, selbst an einem Tag, an dem der Probleme am Arbeitsplatz hatte.
Als ich in die Hände klatschte und bekannt gab, ich wolle in zwei Minuten anfangen, gesellte Sebastian sich zu den letzten Vertretern der Nachhut und nahm eine Position direkt hinter Peter ein – eine Todeszone, auf die niemand Anspruch zu erheben schien.
Dann begann die Vorstellung, und ich hatte Sorgen, die meine ungeteilte Aufmerksamkeit forderten.
Ich war ein guter Bühnenzauberer. Auf diese Weise hatte ich mein Studium auf dem College finanziert, und ich würde sogar so weit gehen, mich als ziemlich toll zu bezeichnen, wenn ich in Übung bin. Zu diesem Zeitpunkt war ich jedoch böse eingerostet, konnte allerdings immer noch einiges klassisches Repertoire vorführen – meine eigenen abgespeckten Versionen der großen Illusionen, die ich in meiner nicht sehr schönen Jugend studiert hatte. Ich ließ die Uhr eines Jungen aus einem Tragbeutel verschwinden, den er in der Hand hielt, und in einer Schachtel wieder erscheinen, die jemand
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